Entscheidungsstichwort (Thema)
Versuch der Umgehung verbraucherschutzrechtlicher Vorschriften gem. § 475 Abs. 1 S. 2 BGB im Wege anderweitiger Gestaltung
Leitsatz (amtlich)
Eine Umgehung verbraucherschutzrechtlicher Vorschriften durch anderweitige Gestaltung i.S.d. § 475 Abs. 1 S. 2 BGB kommt dann in Betracht, wenn vernünftige oder wirtschaftlich verständliche Gründe für ein Agenturgeschäft der als Verkäufer auftretenden Privatperson nicht ersichtlich sind.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 01.02.2005; Aktenzeichen 14 O 385/03) |
Tenor
I.1. Die Berufung des Beklagten zu 1) gegen das am 1.2.2005 verkündete Urteil des LG in Saarbrücken - 14 O 385/03 - wird zurückgewiesen.
2. Auf die Anschlussberufung des Klägers hin wird das vorbezeichnete Urteil dahingehend abgeändert, dass
der Beklagte zu 1) verurteilt wird, an den Kläger - über den erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag hinaus - weitere 985 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.11.2003 zu zahlen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte zu 1) mit Ausnahme der durch die Nebenintervention verursachten Kosten, die die Streithelferin selbst trägt.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die durch diese Entscheidung begründete Beschwer des Beklagten zu 1) beträgt 6.533,93 EUR.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
B. Die form- und fristgerecht eingelegte sowie ordnungsgemäß begründete Berufung des Beklagten zu 1) ist nach den §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO zulässig, bleibt aber in der Sache i.E. ohne Erfolg (I.). Die zulässige Anschlussberufung des Klägers (§§ 524 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 ZPO) ist demgegenüber begründet (II.).
I. Zu Recht hat das LG einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 1) nach den §§ 280, 281, 437 BGB i.H.v. 5.548,93 EUR als gegeben erachtet. Die durch den Beklagten zu 1) im Rahmen seiner Berufung zur Passivlegitimation und zur Höhe des zuerkannten Anspruches erhobenen Einwände sind i.E. nicht durchgreifend.
1. Auch auf der Grundlage der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme ist daran festzuhalten, dass der Beklagte zu 1) trotz der Bezeichnung des Zeugen K. (früherer Beklagter zu 2.) in dem schriftlichen Kaufvertrag vom 24.4.2003 (Bl. 10 d.A.) als (wirtschaftlicher) Verkäufer des streitbefangenen Fahrzeuges anzusehen ist, der sich als Unternehmer gem. §§ 475 Abs. 1 S. 1, 474 Abs. 1 BGB auf eine vor Mitteilung des Mangels getroffene Vereinbarung, welche zum Nachteil des Verbrauchers von den §§ 433-435, 437, 439-443 sowie den §§ 474-479 BGB abweicht, nicht berufen kann. Jedenfalls stellt der Versuch, das Fahrzeug ausweislich des schriftlichen Vertrages im Namen einer dritten Privatperson, nämlich des Zeugen K., zu veräußern, eine Umgehung verbraucherschutzrechtlicher Vorschriften gem. § 475 Abs. 1 S. 2 BGB im Wege anderweitiger Gestaltung dar. Die Annahme eines Umgehungsgeschäfts führt in seiner rechtlichen Konsequenz gem. § 475 Abs. 1 S. 2 BGB gleichermaßen dazu, dass die in § 475 Abs. 1 S. 1 BGB genannten zwingenden Vorschriften gleichwohl Anwendung finden. Dies gilt sowohl unter der Annahme, dass der Beklagte zu 1) als Händler den Zeugen K. schlicht als Privatperson beim Verkauf vorgeschoben hat - das Kaufvertragsformular enthält keine Hinweise auf ein Agenturgeschäft -, als auch unter der Annahme eines sog. Agenturgeschäftes, im Rahmen dessen der Beklagte zu 1) als bloßer Vermittler des Zeugen K. aufgetreten wäre. Der Begriff der anderweitigen Gestaltung ist weit zu begreifen; er erfasst neben Rechtsgeschäften auch geschäftsähnliche Handlungen und tatsächliche Vorgänge (Palandt/Putzo, BGB, 64. Aufl., § 475 Rz. 7) und damit ohne weiteres auch die Verwendung des Instituts der Stellvertretung in der Weise, dass bei Abschluss des Kaufvertrages eine dem Händler bekannte oder verwandte Person als Verkäufer in Erscheinung tritt oder der Händler sich durch ein Agenturgeschäft seiner eigenen Verantwortung aus dem Kaufvertrag entziehen will (May, Umgehung der Sachmängelhaftung beim Gebrauchtwagenkauf, DAR 10/2004, 557 ff. [561]). Die Veräußerung in der Form eines Vertretergeschäfts ist dabei geeignet, die Wirkungen der in § 475 Abs. 1 S. 1 BGB genannten zwingenden Vorschriften auszuschalten.
Der vorliegende Kaufvertrag fällt mithin trotz des formalen Umstands, dass er nicht zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) geschlossen wurde, nicht aus der Anwendung der Regelungen des Verbrauchsgüterkaufs heraus.
2. Unter Würdigung der für den Vertragsschluss maßgeblichen unstreitigen Umstände i.V.m. den Bekundungen des Zeugen K. hegt der Senat keinerlei Zweifel, dass der Umstand, dass der Zeuge K. in dem schriftlichen Kaufvertrag als Verkäufer des Gebrauchtwagens aufgeführt wurde, ausschließlich seinen Grund darin findet, eine Anwendbarkeit zwingender Vorschriften zu vermeiden. Davon ist jedenfalls auszugehen, wenn vernünftige oder wirtschaftlich verständliche Gründe für ein...