Normenkette
BGB §§ 242, 294-295, 355 Abs. 2-4, § 356b Abs. 2, § 357 Abs. 4, 7, § 358 Abs. 4, § 492 Abs. 2, § 494 Abs. 4; EGBGB Art. 247 §§ 3, 6; EGRL 48/2008 Art. 10, 14; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 09.04.2021; Aktenzeichen 1 O 248/20) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 09.04.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken, Az.: 1 O 248/20, teilweise abgeändert:
1. Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird festgestellt, dass der Beklagten aus dem mit dem Kläger geschlossenen Darlehensvertrag gemäß Darlehensantrag vom 20.09.2018 über einen Nettodarlehensbetrag von 26.254,86 EUR seit Zugang des Widerrufsschreibens des Klägers vom 15.05.2020 kein Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung zugestanden hat.
2. Auf die Hilfswiderklage der Beklagten wird
a) festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, an die Beklagte Wertersatz für den Wertverlust des Fahrzeugs Audi Q5 2.0 TDI Quattro, Fahrzeugidentifikationsnummer ... zu leisten in Höhe der Differenz zwischen dem Fahrzeugwert zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger und dem Verkehrswert des vorbezeichneten Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Herausgabe an die Beklagte im Rahmen der Rückabwicklung;
b) festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, an die Beklagte den vereinbarten Sollzins in Höhe von 3,2 % p.a. für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des in Ziffer 1 näher bezeichneten Darlehens zu zahlen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
III. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 36.595,05 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger und die beklagte Bank streiten um die Frage der Wirksamkeit und der Rechtsfolgen des Widerrufs der Vertragserklärung des Klägers zum Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags zur Finanzierung eines Kraftfahrzeugs.
Der Kläger erwarb im September 2018 bei der Autohaus S. GmbH & Co KG in S. einen gebrauchten Audi Q5 TDI Quattro mit der Fahrzeugidentifikations-nummer ... zu einem Kaufpreis in Höhe von 24.990 EUR, den er vollständig über die Beklagte finanzierte. Er schloss zur Finanzierung des Kaufpreises mit der Beklagten auf Vermittlung der Verkäuferin einen Darlehensvertrag gemäß Darlehensantrag vom 20.09.2018 (Anlage B1, Anlagenband Beklagte) über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 26.254,86 EUR. Mitfinanziert wurde ein Beitrag zum Kreditschutzbrief Plus gegen die Risiken Tod, Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit (KSB Plus) in Höhe von 1.264,86 EUR.
Der Sollzinssatz betrug 3,20 %, gebunden für die gesamte Vertragslaufzeit von 36 Monaten. Zins und Tilgungsleistungen sollten, erstmals 30 Tage nach Auszahlung des Darlehens, in 36 Monatsraten zu je 363,31 EUR und einer Abschlussrate von 15.189,76 EUR erbracht werden. Das Fahrzeug wurde der Beklagten sicherungsübereignet.
Die Vertragsurkunde enthielt unter anderem folgende Klauseln (Anlage B1, Anlagenband Beklagte):
"5. Zahlungsverzug/Wichtiger Hinweis
Ausbleibende Zahlungen können schwerwiegende Folgen für Sie haben (z. B. Kündigung des Kredits, Zwangsverkauf) und die Erlangung eines Kredits erschweren. Im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften kann Ihnen bei Zahlungsverzug der der Bank entstandene Verzugsschaden (z.B. etwaige Kosten der Rechtsverfolgung) in Rechnung gestellt werden. Der gesetzliche Verzugszinssatz - als Mindestbetrag - beträgt 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz pro Jahr. Der Basiszinssatz wird von der Deutschen Bundesbank ermittelt und jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres festgesetzt. Im Einzelfall kann der Darlehensgeber einen höheren oder der Darlehensnehmer einen niedrigeren Schaden nachweisen."
In der auf Seite 4 der Vertragsurkunde aufgeführten Widerrufsinformation wurde für den Fristbeginn auf den Erhalt der "Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit)" abgestellt.
Des Weiteren enthält die Widerrufsinformation unter der Überschrift "Widerrufsfolgen" folgende Regelung:
"Soweit das Darlehen bereits ausbezahlt wurde, hat es der Darlehensnehmer spätestens innerhalb von 30 Tagen zurückzuzahlen und für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten. Die Frist beginnt mit der Absendung der Widerrufserklärung. Für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung ist bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens pro Tag ein Zinsbetrag in Höhe von 2,34 EUR zu zahlen. Dieser Betrag verringert sich entsprechen...