Leitsatz (amtlich)
1. Im Verkehrsunfallprozess kann der Schmerzensgeldanspruch des Geschädigten im Wege der offenen Teilklage auf die diejenigen Verletzungsfolgen beschränkt werden, die bereits zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eingetreten sind, wenn die weitere Schadensentwicklung ungewiss ist.
2. Bei der Berechnung des Schmerzensgeldes sind nicht nur die zum maßgeblichen Stichtag bereits eingetretenen Schadensfolgen zu beachten. Auch die künftige Schadensentwicklung ist über den Stichtag hinaus einzubeziehen, soweit diese Entwicklung aufgrund der bereits eingetretenen Schadensfolgen sicher zu prognostizieren ist.
3. In einem Folgeprozess ist die spätere, im Erstprozess unberücksichtigt gebliebene Schadensentwicklung nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr ist zu fragen welches Gesamtschmerzensgeld zu zahlen gewesen wäre, wenn die spätere Unfallfolge von vorneherein in die ursprüngliche Schadensberechnung Eingang gefunden hätte. Nur die Differenz zur Urteilssumme des Erstprozesses ist zuzusprechen.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 24.08.2010; Aktenzeichen 8 O 109/09) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Saarbrücken vom 24.8.2010 - 8 O 109/09 - im Schmerzensgeldausspruch (Ziff. 1 des landgerichtlichen Urteilstenors) mit der Maßgabe abgeändert, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt werden, an den Kläger ein (Teil-)Schmerzensgeld i.H.v. 6.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.9.2007 abzgl. außergerichtlich am 9.11.2007 gezahlter 2.000 EUR sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 899,40 EUR nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.10.2009 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt 35 %, die Beklagten tragen als Gesamtschuldner 65 % der erstinstanzlichen Kosten. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000 EUR festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der im Jahr 1985 geborene Kläger die Beklagten aus einem Verkehrsunfall in Leistungs- und Feststellungsantrag auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger befuhr mit dem Motorrad seines Vaters am 20.9.2007 gegen 18:30 Uhr in S.-E., Ortsteil Sp., die Straße von E.- Sp. in Richtung P.-K.. Der Beklagte zu 1) befand sich mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw auf dem in Fahrtrichtung des Klägers rechts neben der Fahrbahn kurz hinter dem bebauten Ortsbereich befindlichen Parkplatz. Von dort fuhr er auf die vom Kläger befahrene Hauptstraße links abbiegend auf. Der Kläger streifte das Fahrzeug des Beklagten hinten links und geriet zu Fall.
Der Kläger erlitt hierbei folgende Verletzungen: Brüche des 4. und 5. Mittelhandknochens, eine Außenbandruptur der Patellasehne, ein Knochenmarksödem im Bereich der unteren Patellasehne sowie des Tibiaplateaus mit einer lokalen Weichteilschwellung und einer Hämatombildung, eine HWS-Distorsion, eine Thoraxprellung, eine Beckenprellung und eine Prellung am rechten Knie. Er war vom 20.9. bis zum 25.9.2007 in stationärer Behandlung und war bis zum 16.11.2007 zu 100 % arbeitsunfähig erkrankt. Am 21.9.2007 wurde die Verletzung an der Hand operativ versorgt. Anschließend wurde er bis zum 3.3.2008 insgesamt 26-mal physiotherapeutisch behandelt.
In dem Verfahren 8 O 110/08 des LG Saarbrücken nahm der Vater des Klägers die Beklagten als Gesamtschuldner auf Ersatz der materiellen Schäden in Anspruch. In diesem Verfahren wurde nach umfangreicher Beweisaufnahme auf Vorschlag des Gerichts ein Vergleich geschlossen, der dem Grunde nach auf einer Haftungsverteilung von 80 zu 20 zu Lasten der Beklagten beruhte.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger Ausgleich der ihm selbst entstandenen Schäden. Er hat hierbei die Auffassung vertreten, dass unter Berücksichtigung einer außergerichtlichen Zahlung über 2.000 EUR die Zahlung eines Schmerzensgeldes von insgesamt 10.000 EUR angemessen sei. Er hat behauptet, die Beeinträchtigungen in der Mobilität seiner linken Hand bestünden fort. Zudem bestünde die Gefahr einer Arthrosebildung mit weiteren spürbaren Folgen.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein Schmerzensgeld, das der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, sowie Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.9.2007 abzgl. außergerichtlich am 9.11.2007 gezahlter 2.000 EUR sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.105,51 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger jeden weiteren zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schaden, der auf den Verkehrsunfall vom 20.9.2007 zwischen dem Kläger...