Leitsatz (amtlich)

1. Hat der durch postmortale Bevollmächtigung legitimierte Miterbe ein ihm als Vermächtnis angefallenes Nachlassgrundstück namens der Erbengemeinschaft veräußert und den Erwerber angewiesen, den Kaufpreis auf sein eigenes Bankkonto zu überweisen, so liegt darin die Annahme des Vermächtnisses und die berechtigte Erfüllung des ihm infolgedessen ersatzweise angefallenen Zahlungsanspruchs gegen den Grundstückserwerber, ungeachtet der ihm weiterhin eingeräumten Befugnis, die Erfüllung des Vermächtnisses auch als Testamentsvollstrecker zu bewirken.

2. Zu den Voraussetzungen einer Ausgleichung lebzeitiger Zuwendungen im Falle der gewillkürten Erbfolge.

 

Normenkette

BGB §§ 164, 285, 662, 2039, 2050, 2052, 2174, 2176, 2180

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 22.06.2022; Aktenzeichen 16 O 178/21)

 

Tenor

I. Die Berufung der Kläger gegen das am 22. Juni 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 16 O 178/21 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens - einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Streithelfers - fallen den Klägern zur Last.

III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Kläger haben mit ihrer Klage erstinstanzlich Zahlung in Höhe von 105.200,15 Euro zugunsten einer aus den Parteien bestehenden Erbengemeinschaft nach der am ... 2019 verstorbenen gemeinsamen Mutter, R. H., geltend gemacht, die von den Parteien des Rechtsstreites zu gleichen Teilen beerbt wurde. Mit ihrer Berufung verfolgen sie diesen Anspruch nur noch in Ansehung eines vermeintlich zu Unrecht vereinnahmten Kaufpreises aus der Veräußerung eines Hausgrundstückes in Höhe von 86.000,- Euro weiter. Außerdem begehren sie weiterhin die Feststellung, dass der Beklagte wegen weiterer, ihm zu Lebzeiten zugewandter Grundstücke der Erblasserin anlässlich der Erbauseinandersetzung Beträge in Höhe von 9.084,- Euro an die Klägerin zu 1) und von 7.029,- Euro an den Kläger zu 2) auszugleichen habe.

Der Beklagte war aufgrund einer am 14. Mai 2018 von dem Streithelfer beurkundeten "General- und Vorsorgevollmacht" (UR. Nr. 481/2018 des Notars J. M., Bl. 138 ff. GA) dazu bevollmächtigt worden, die Erblasserin und ihren am 9. Januar 2019 vorverstorbenen Ehemann insbesondere in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten, u.a. mit der Befugnis, Grundbesitz zu veräußern und die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen und zu beantragen. Die Vollmacht sollte durch den Tod des Vollmachtgebers nicht erlöschen; der Bevollmächtigte war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit worden. Ebenfalls am 14. Mai 2018 hatten die Erblasserin und ihr Ehemann einen Erbvertrag geschlossen (UR Nr. 480/2018 des Notars J. M., Bl. 6 ff. GA), in dem beide sich gegenseitig, der Erstversterbende den länger Lebenden, zum alleinigen und unbeschränkten Erben und die Parteien zu je 1/3 zu Erben des länger Lebenden eingesetzt und außerdem - in Ziff. V. der Urkunde - folgende "Vermächtnisanordnung" getroffen hatten:

1. Im Grundbuch des Amtsgerichts Saarbrücken - Saarländisches Grundbuchamt - von Haupersweiler Blatt 1081 ist Frau R. H., allein, unter anderem als Eigentümer des folgenden Grundbesitzes eingetragen:

Gemarkung Haupersweiler, Ifd. Nr. 1, Flur 8 Flurstück 2 Hof- und Gebäudefläche, ... Straße, groß 1660 qm.

Bei dem vorbezeichneten Grundstück handelt es sich um das Hausanwesen mit der postalischen Anschrift ... Straße 15. 66629 Freisen-Haupersweiler.

2. Der Längerlebende von uns - und für den Fall, dass wir gleichzeitig versterben, Frau R. H. allein - vermacht unserem Sohn M. H., vorgenannt, zum Voraus und ohne Anrechnung auf seinen Erbteil den vorstehend genannten Grundbesitz zu alleinigem Recht und Eigentum.

3. Mitvermacht sind alle Eigentümerrechte und -ansprüche an Grundpfandrechten, welche auf dem vermachten Grundbesitz lasten. Etwaige an dem vermachten Grundbesitz lastende Schulden im Sinne des § 2166 BGB, soweit es sich hierbei zugleich um Nachlassverbindlichkeiten handelt, hat der Vermächtnisnehmer zur Entlastung der Erben zu übernehmen.

4. Kosten der Vermächtniserfüllung und eine eventuell anfallende Steuer sind von dem Vermächtnisnehmer zu tragen.

5. Das Vermächtnis ist kein Verschaffungsvermächtnis. Es entsteht daher nicht, wenn der vorbezeichnete Grundbesitz sich nicht im Nachlass befindet.

6. Ersatzvermächtnisnehmer bestimmen wir nicht.

7. Zum Vollzug des Vermächtnisses wird der Vermächtnisnehmer zum Testamentsvollstrecker berufen, als welcher er von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist. Für seine Tätigkeit steht dem Testamentsvollstrecker keine Vergütung zu und ihm sind auch keine Auslagen für seine Tätigkeit zu erstatten.

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