Leitsatz (amtlich)

1. Anomale Geruchsbelästigungen können einen Sachmangel eines Gebrauchtfahrzeugs darstellen.

2. Bei einem "jungen" Gebrauchtwagen des gehobenen Preissegments, der noch kein Jahr zugelassen ist und eine Laufzeitleistung von unter 1.000 km aufweist, kann ein durchschnittlicher Käufer erwarten, dass in diesem keine anomalen - gummiähnlichen - Gerüche wahrnehmbar sind.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Entscheidung vom 03.11.2011; Aktenzeichen 14 O 215/10)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 3. November 2011 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken, 14 O 215/10, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist, ebenso wie das angegriffene Urteil des Landgerichts Saarbrücken, vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des nach den jeweiligen Urteilen zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Rückgängigmachung eines PKW-Kaufvertrages.

Am 6. März 2009 bestellte die Klägerin bei der Beklagten einen PKW Lexus LS 600 h Hybrid Automatik, welcher ihr am 24. März 2009 zu einem Preis von 120.000 Euro in Rechnung gestellt wurde. Es handelte sich um einen Vorführwagen, mit Erstzulassung 7. Juli 2008 und einer Laufleistung von 778 km. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 32 d.A. Bezug genommen.

Der Geschäftsführer der Klägerin monierte in der Folgezeit Geruchsbelästigungen im Fahrzeug. Die Beklagte ließ die Lüftungskanäle reinigen. Im Februar 2010 reklamierte die Klägerin dies erneut. Am 8. April 2010 fand eine Besichtigung im Beisein japanischer Ingenieure der Firma Lexus statt. Da man der Ansicht war, das Reserverad sei die Ursache, wurde dieses entfernt. Am 29. April 2010 wurde die Verkleidung des Kofferraums umgerüstet. Das Fahrzeug wurde in der Zeit vom 8. Mai 2010 bis zum 18. Juni 2010 bezüglich des Kofferraums und der Steuergeräte auf das Modelljahr 2009 umgerüstet, die Kofferraumverkleidung und die Heckablage wurden ausgetauscht.

Mit Schreiben vom 24. Juni 2010 erklärte die Klägerin, gestützt auf die Geruchsbelästigungen und einen Defekt des Reifendrucksensors den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zur Rückzahlung des Kaufpreises bis zum 30. Juni 2010 auf.

Die Klägerin hat behauptet, bereits kurz nach Überlassung des Fahrzeugs sei die Geruchsbelästigung telefonisch gegenüber der Beklagten moniert worden. Auch habe es von Beginn an erhebliche Probleme mit dem Telefon gegeben. Der Austausch des Reserverades habe keinen Erfolg gehabt. Der Geruch sei nach wie vor im gesamten Fahrzeug - hinten stärker als vorne - festzustellen gewesen und sei erst verschwunden, als die gesamte Fahrzeuginnenluft ausgetauscht gewesen sei. Die Geruchsbelästigung sei so massiv, dass es Reisenden schlecht geworden sei. Es sei davon auszugehen, dass Abgase, welche in das Fahrzeug gelangten, massiv gesundheitsschädlich seien. Der Geschäftsführer der Klägerin gehe davon aus, die Entlüftung der Hybrid-Batterie im Kofferraum sei die Ursache des Geruchs.

Am 11. Juni 2010 habe die Beklagte die Arbeiten am Fahrzeug eingestellt.

Gleichzeitig habe ein Defekt am Reifendrucksensor vorgelegen. Dieser habe einen nicht vorhandenen Fehler gemeldet.

Ein weiterer erheblicher Mangel liege darin, dass die Gefahr bestehe, dass Mikro-Fremdkörper im Material der Ventilfedern dazu führten, dass die Federkraft nachlasse und dadurch die Ventilfedern brechen könnten.

Das Fahrzeug sei durch die Klägerin 19.700 km gefahren worden.

Mit der am 22. Juli 2010 zugestellten Klage hat die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 112.120,00 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2010 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rücknahme des PKW Lexus LS 600 h Hybrid, Automatik, Fahrgestellnummer JTHCU...;

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeuges seit dem 01.07.2010 in Annahmeverzug befindet;

3. der Beklagten die außergerichtlichen Kosten in Höhe von 1.880,30 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit aufzuerlegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der Vorführwagen habe einen tatsächlichen Wert von 100.000 Euro gehabt. Der Klägerin sei angeboten worden, das Fahrzeug auf Neuwagenbasis, d.h. zu einem Listenpreis von ca. 120.000 Euro zu finanzieren, da dann mehr für den in Zahlung genommenen Audi A8 habe geboten werden können. Die Klägerin habe erstmalig am 18. August 2009 die Geruchsbelästigung mitgeteilt. Nach der Wiederüberlassung nach Reinigung der Lüftungskanäle an die Klägerin sei bestätigt worden, dass es nicht mehr rieche.

Eine Probefahrt anlässlich des Termins am 8. April 2010 habe bestätigt, dass der Geruch nach wenigen Minuten verschwunden gewes...

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