Leitsatz (amtlich)
In einem Rechtsstreit zwischen einer Aktiengesellschaft und einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ein früheres Vorstandsmitglied der Aktiengesellschaft ist, um Ansprüche der Gesellschaft mit beschränkter Haftung aus einem mit der Aktiengesellschaft geschlossenen Beratungsvertrag wird die Aktiengesellschaft durch den Aufsichtsrat vertreten.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Entscheidung vom 23.12.2010; Aktenzeichen 14 O 63/09) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 23.12.2010 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 63/09 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn die Beklagte leistet zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist ein Beratungsunternehmen, dessen alleiniger Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer seit seiner Gründung im Jahr 2000 Dr. R. S. ist. Sie war seit April 2007 für die Beklagte, eine Aktiengesellschaft, beratend tätig. Mit Beschluss des Aufsichtsrats der Beklagten vom 26.6.2008 wurde Dr. R. S. mit Wirkung zum 1.7.2008 auch zum (weiteren) Vorstandsmitglied der Beklagten für Vertrieb und Marketing bestellt (vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung der Beklagten vom 26.8.2008, Anlage K 5 = GA 42). Der Vorstand der Beklagten bestand nunmehr aus den Herren Dr. S., Dr. L. und Dr. N.. Mit Beschluss des Aufsichtsrats der Beklagten vom 16./18.12.2008 (Anlage B 4 = GA 153 f.) wurden Dr. S. und Dr. L. mit sofortiger Wirkung als Vorstandsmitglieder der Beklagten abberufen und von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt.
Mit ihrer gegen die Beklagte, "gesetzlich vertreten durch deren Vorstandsvorsitzenden, Herrn Dr. R. N.", erhobenen Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Zahlung der Vergütung für Beratungsleistungen in Höhe von 385.917,- EUR gemäß Rechnung vom 7.1.2009 (Anlage K 20 = GA 103 f.) in Anspruch. Bei dem geltend gemachten Betrag handelt es sich um die zweite Hälfte der Vergütung für von der Klägerin im Zeitraum von Juli bis Dezember 2008 erbrachte Beratungsleistungen. Die erste, bereits mit Rechnungen vom 6.8.2008, 3.9.2008, 16.9.2008, 1.10.2008, 16.10.2008, 2.11.2008, 15.11.2008, 30.11.2008, 11.12.2008, 18.12.2008 und 30.12.2008 (Anlage K 23 im Anlagenband) abgerechnete Hälfte der Vergütung (50%) hat die Beklagte gezahlt. Nach Zustellung der Klage an die - "durch deren Vorstandsvorsitzenden Dr. R. N." vertretene - Beklagte (GA 109) haben sich für diese, "gesetzlich vertreten durch das alleinige Vorstandsmitglied Herrn Dr. R. N." zunächst die Rechtsanwälte S. (GA 110, 134) und sodann die Dr. M. (GA 206) bestellt, von der die Beklagte bis jetzt vertreten wird.
Die Parteien streiten insbesondere darum, ob der Beratungstätigkeit der Klägerin ein wirksamer Beratungsvertrag zugrunde liegt. Der zwischen den Parteien am 4.11.2008 geschlossene Beratungsvertrag (Anlage K 17 = GA 90 ff.) wurde auf Seiten der Beklagten von Dr. L. und Dr. N. sowie auf Seiten der Klägerin von deren alleinigem Geschäftsführer Dr. S. unterzeichnet. Die Beklagte hält diesen Vertrag gemäß § 112 AktG, § 134 BGB für nichtig, weil die Beklagte bei dessen Abschluss im Hinblick auf die wirtschaftliche Identität der Klägerin mit dem damaligen Vorstandsmitglied der Beklagten Dr. S. durch den Aufsichtsrat hätte vertreten werden müssen.
Durch das angefochtene Urteil (GA 1032 - 1046), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Einen Anspruch aus Beratervertrag habe die Klägerin nicht, weil ein solcher nicht wirksam zustande gekommen sei. § 112 AktG sei im Falle der Vertretung der Gesellschaft gegenüber Dritten auch dann anzuwenden, wenn - wie hier - zwischen dem Dritten und dem Vorstandsmitglied wirtschaftliche Identität bestehe. Ein Verstoß gegen § 112 AktG habe nach umstrittener, aber zutreffender Auffassung allerdings nicht die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge, sondern führe dazu, dass dessen Wirksamkeit von der Genehmigung des Aufsichtsrats abhänge. Auch die schlüssige Erteilung einer Genehmigung setze indessen eine ausdrückliche Beschlussfassung des Aufsichtsrats voraus. Dass eine solche nach dem Beratungsvertrag vom 4.11.2008 erfolgt sei, sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Darauf, welche Äußerungen des Mitglieds des Aufsichtsrats der Beklagten B. insoweit erfolgt seien und wie diese von der Klägerin verstanden worden seien bzw. hätten verstanden werden dürfen, komme es wegen des Erforderniss...