Leitsatz (amtlich)
1. Ein Versicherungsinteressent, der ein langjähriges Rückenleiden mit wiederholten Zeiten der Arbeitsunfähigkeit verschweigt und dem Agenten ggü. lediglich eine einmalige "Blockade" schildert, handelt arglistig.
2. In einem solchen Fall darf sich der Versicherungsnehmer bei späterer Anfechtung des Vertrages nicht auf die Verletzung einer Nachfrageobliegenheit durch den Versicherer berufen.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 17.12.2004; Aktenzeichen 14 O 264/03) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Saarbrücken vom 17.12.2004 - 14 O 264/03, wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 86.600 EUR festgesetzt.
V. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung in Anspruch.
Die Klägerin war zuletzt tätig als Busfahrerin im Linien- und Reiseverkehr. Sie unterhielt bei der Beklagten mit Wirkung ab dem 1.8.2002 eine Berufsunfähigkeitsversicherung (Versicherungsschein-Nr. ...) unter Einschluss der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Berufsunfähigkeitsversicherung über eine Versicherungssumme von 1.000 EUR monatlich (Bl. 30 ff. d.A.). Dem Versicherungsvertrag lag ein Antrag der Klägerin vom 30.7.2002 zugrunde, der von dem Versicherungsagenten D. der Beklagten aufgenommen worden war. In der Rubrik "Gesundheitsfragen" wurde die Frage "Bestehen oder bestanden in den letzten 5 Jahren Beschwerden, Krankheiten oder Vergiftungen? (z.B. Herz, Kreislauf, Bluthochdruck, Schlaganfall, Atmungs-, Verdauungs-, Harn- oder Geschlechtsorgane, Gehirn, Krämpfe, Nerven, Rückenmark, Psyche, Depressionen, Selbsttötungsversuch, geistige Schwäche, Sucht, Augen, Ohren, Haut, Drüsen, Milz, Blut, Leber, Galle, Nieren, Infektionskrankheiten, Geschwulste, Stoffwechsel, Gicht, Rheuma, Allergie, Blutfette, Diabetes, Epilepsie)" sowie die Frage "Fanden in den letzten 5 Jahren stationäre Behandlungen statt" mit "nein" beantwortet, und als der am besten über den Gesundheitszustand der Klägerin informierte Arzt/Behandler Dr. W." angegeben. Die Frage "zum beantragten Berufs-/Erwerbsunfähigkeitsschutz" "Bestehen oder bestanden in den letzten 10 Jahren Krankheitssymptome an Wirbelsäule, Bandscheiben, Gelenken, Knochen? ..." wurde ebenfalls verneint. Weiterhin wurde eine jährliche Vorsorgeuntersuchung beim Frauenarzt erwähnt (Bl. 9, 32 d.A.).
Am 10.11.2002 beantragte die Klägerin unter Hinweis darauf, seit dem 23.8. 2002 ihren Beruf nicht mehr ausüben zu können, von der Beklagten Leistungen wegen Berufsunfähigkeit.
Ausweislich eines von der Beklagten im Rahmen der daraufhin angestrengten Leistungsprüfung eingeholten ärztlichen Berichts des Dr. W. waren bei der Klägerin neben fieberhaften Infekten, einer Cholecystis, Gallenbeschwerden und einer Facialisparese zahlreiche Erkrankungen orthopädischer Natur aufgetreten, die zu einer stationären Behandlung im Jahr 2002 und zu einer länger andauernden Arbeitsunfähigkeit geführt hatten (Bl. 48 d.A.). Auch zum Zeitpunkt der Antragstellung war die Klägerin noch arbeitsunfähig krank geschrieben (Bl. 77 d.A.).
Mit Schreiben vom 4.2.2003 erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Versicherungsvertrag wegen schuldhafter Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht unter Hinweis auf eine bereits zum Antragszeitpunkt vorliegende, ärztlich diagnostizierte Spondylolisthesis bzw. Bandscheibenerkrankung mit Arbeitsunfähigkeit vom 22.6.2002 bis 11.8.2002, eine am 5.2.2002 erfolgte Behandlung wegen Lumboischalgie sowie eine Behandlung am 14.3.2002 wegen Adipositas; zugleich focht sie den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an (Bl. 5, 6 d.A.).
Die Klägerin hat geltend gemacht, dass sie dem Versicherungsagenten ggü. die in 1998, 1999, 2000 aufgetretenen fieberhaften Infekte, Stresssymptome, Mandelentzündung, Harnwegsinfekt, Gallenbeschwerden und Unterschenkel- schwellungen angegeben habe; ferner habe sie darüber berichtet, sich in 2001 verhoben zu haben und an Sensibilitätsstörungen im rechten Bein gelitten zu haben; auch habe sie angegeben, seit Februar 2002 an Rückenschmerzen zu leiden und in krankengymnastischer - und physikalischer Behandlung zu sein. Trotz Offenbarung der über Monate andauernden Behandlung wegen Rückenbeschwerden habe der Versicherungsagent die unter lit. a) zum Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsschutz gestellte Frage mit "nein" angekreuzt, weil er die Angabe nicht für notwendig gehalten habe. Daher sei sie zum Zeitpunkt der Unterschriftsleistung davon ausgegangen, dass der Agent der Beklagten in diesem Punkt weiteren Aufklärungsbedarf gesehen habe und diesen noch offen gelassen habe, um bei dem benannten Dr. W. noch weitere Informationen einzuholen, wie der Agent ihr ggü. angekü...