Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Rückforderung von Versicherungsleistungen nach einer zur Leistungsfreiheit führenden Obliegenheitsverletzung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Frage in der Schadensanzeige nach dem Bestehen weiterer Unfallversicherungsverträge bei anderen Versicherern ist auch dann sachdienlich, wenn solche im Versicherungsantrag angegeben waren.
2. Zu Indizien für ein vorsätzliches Verschweigen des Bestehens weiterer Unfallversicherungsverträge.
3. Im Rückforderungsrechtsstreit muss der Versicherer beweisen, dass das Verschweigen des Bestehens weiterer Unfallversicherungsverträge nachteilige Folgen für ihn hatte.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 01.02.2008; Aktenzeichen 12 O 7/07) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers gegen das am 1.2.2008 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - 12 O 7/07 - wird dieses teilweise abgeändert und Ziff. II. des Tenors wie folgt neu gefasst:
Die Widerklage wird abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu 79 % und die Beklagte zu 21 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 81 % und die Beklagte zu 19 %.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 108.894 EUR festgesetzt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine dynamische Unfallrentenversicherung (Bl. 44, 54 d.A.). Die vereinbarte Monatsrente belief sich ab dem 26.11.2002 auf 563 EUR bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 33 % und auf 1.125 EUR bei einem solchen von mindestens 66 %. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Unfallrentenversicherung der Beklagten (AURB 98, Bl. 55 d.A.) zugrunde.
Im Versicherungsantrag vom 25.11.1999 (Bl. 95 d.A.) wurde die Frage nach gegenwärtigen oder früheren weiteren Unfall- oder Unfallrentenversicherungen vom Kläger bejaht und - mit dem Vermerk "Ablauf 1.2.2001" - eine Unfallversicherung bei der "B" (B. Versicherung) angegeben.
Am 22.6.2003 erlitt der Kläger bei einem Motorradunfall Verletzungen am rechten Bein und an der linken Hand. Er befand sich deshalb vom 22.6.2003 bis 9.7.2003 in stationärer Behandlung in der Krankenanstalt M. in T., wo am 23.6.2003 und am 30.6.2003 operative Eingriffe stattfanden. Anschließend hielt er sich vom 9.7.2003 bis 3.9.2003 zu einer stationären Anschlussheilbehandlung im S. Krankenhaus in L. auf.
Am 3.7.2003 zeigte er den Unfall ggü. der B. Versicherung an. Diese veranlasste eine fachorthopädische Begutachtung, die am 10.8.2004 durch das Klinikum Sa. durchgeführt wurde und bei der eine Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit des rechten Beins von 9/10 Beinwert und der linken Hand von 1/10 Armwert ermittelt wurde (Bl. 22 d.A.).
Die Meldung ggü. der Beklagten erfolgte mit einer vom Kläger unterschriebenen Schadensanzeige vom 8.8.2003 (Bl. 59 d.A.). Darin wurde bei der Frage
"Sind Sie noch bei einer anderen Gesellschaft gegen Unfall versichert? (z.B. als Kfz-Insasse)" das Kästchen "nein" angekreuzt.
Das Formular enthielt oberhalb der Unterschriftszeile mehrere, in gleicher Schrift wie der restliche Formulartext gehaltene "Allgemeine Hinweise", von denen der erste wie folgt lautete:
"Ich habe die Schadenanzeige nach bestem Wissen wahrheitsgemäß ausgefüllt. Mir ist bekannt, dass bewusst unwahre oder unvollständige Angaben zum Verlust des Versicherungsschutzes führen können, auch wenn dem Versicherer durch diese Angaben kein Nachteil entsteht."
Die Beklagte zahlte auf der Grundlage eines von ihr eingeholten fachunfallchirurgischen Gutachtens des Dr. R. vom 16.11.2004 (Bl. 9 d.A.), aus dem sich ein Invaliditätsgrad von 46,67 % (2/3 Beinwert) ergibt, rückwirkend ab Juni 2003 eine monatliche Unfallrente von 563 EUR an den Kläger.
Darüber hinaus teilte sie dem Kläger mit Schreiben vom 8.2.2005 (Bl. 7 d.A.) mit, dass dieser unter Zugrundelegung seiner Gesundheitsangaben ggü. dem Gutachter sowohl im Versicherungsantrag als auch in der Schadensanzeige verschiedene Erkrankungen verschwiegen habe, sie allerdings in seinem Interesse von einer Vertragsanfechtung absehe.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 9.11.2005 (Bl. 62 d.A.) behauptete der Kläger ggü. der Beklagten einen Invaliditätsgrad von 70 % und forderte die Zahlung einer monatlichen Rente von 1.195 EUR rückwirkend ab dem Unfalltag. Zur Begründung legte er ein weiteres von der B. Versicherung eingeholtes fachorthopädisches Gutachten vom 8.7.2005 (Bl. 64 d.A.) vor, das einen Invaliditätsgrad von 6/10 Beinwert und 1/10 Handwert auswies. In der der Beklagten überlassenen Kopie fand sich allerdings kein Hinweis auf den Auftraggeber des Gutachtens, da das Adressfeld offen und auf S. 3 eine Bezugnahme auf die B. Versicherung abgedeckt war.
Auf wiederholte Nachfrage der Beklagten und Hinwe...