Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmissbräuchliche Erhebung einer Verjährungseinrede
Leitsatz (amtlich)
Begründet der Schuldner beim Gläubiger das Vertrauen, durch weiteres Zuwarten mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen keinen Rechtsverlust zu erleiden, so kann die Erhebung der Verjährungseinrede gegen Treu und Glauben verstoßen. Jedoch verliert der Gläubiger den aus § 242 BGB herzuleitenden Schutz, wenn er seinen Anspruch nach Wegfall des Vertrauenstatbestandes nicht innerhalb einer angemessenen Frist (im Regelfall nicht länger als ein Monat) gerichtlich geltend macht.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 09.03.2006; Aktenzeichen 14 O 386/05) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Saarbrücken vom 9.3.2006 - 14 O 386/05 - wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.002,27 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der im Jahr 1963 geborene Kläger die beklagte Versicherungsgesellschaft wegen eines Verkehrsunfalls auf Zahlung von Verdienstausfall in Anspruch.
Der Kläger erlitt am 8.4.1979 einen Verkehrsunfall, der von einem bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der A.-Versicherung, haftpflichtversicherten Verkehrsteilnehmer verursacht wurde. Die volle Haftung der Beklagten für die dem Kläger aus dem Unfallereignis entstandenen Schäden steht zwischen den Parteien außer Streit. Der Kläger wurde schwer verletzt.
Am 13.5.1980 schloss der Kläger, gesetzlich vertreten durch seine Eltern, mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Abfindungserklärung (Bl. 58 d.A.). Die Abfindungserklärung lautet auszugsweise:
"Für alle Ansprüche, die ich in meinem Namen und im Namen der durch mich gesetzlich vertretenen Personen gegen die A.-Versicherungs-Aktiengesellschaft...stellen kann, erkläre ich mich endgültig abgefunden, wenn mir die A. innerhalb drei Wochen nachdem diese Erklärung bei ihr eingegangen ist, eine Entschädigung von 10.000 DM überweist."
Handschriftlich findet sich folgender Eintrag:
"Nicht erfasst ist ein eventueller unfallbedingter immaterieller ZS für den Fall, dass eine Verschlimmerung eintritt, die eine MdE von mehr als 30 % nach sich zieht sowie ein eventueller unfallbedingter materieller ZS (Verdienstausfall) bis 30.6.1982."
Vor dem Unfall war der Beklagte als Hauer unter Tage eingesetzt. Seit dem Unfall konnte er aufgrund der unfallbedingten gesundheitlichen Beschwerden lediglich über Tage arbeiten. Er erlitt hierdurch einen Verdienstausfall, den die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Kläger bis Oktober 1994 unmittelbar erstattete. In den Jahren 1987 und 1988 wurden Verhandlungen über den entstandenen Verdienstausfall geführt. So kündigte die Rechtsvorgängerin der Beklagten in einem Schreiben vom 6.8.1987 (Anlage zur Klageschrift; Bl. 134) an, dass sie den monatlichen Verdienstausfall zunächst bis Dezember 1986 ausgleichen werde. Eine genaue Abrechnung könne "jedoch erst nach Ende eines jeden Jahres erfolgen". Das Schreiben nimmt weiterhin Bezug auf eventuelle Ansprüche des Klägers wegen Kürzungen des Altersruhegeldes. Hierzu führt das Schreiben aus:
"Ihr Mandant kann eine etwaige Leistungskürzung erstattet verlangen, wenn sich diese bei Eintritt eines Versicherungsfalls konkret berechnen lässt. Es muss also in jedem Fall die spätere Rentenberechtigung abgewartet werden, um dann den unfallbedingten, konkreten Rentenverlust zu berechnen."
Ab Oktober 1994 bezog der Kläger eine Berufsunfähigkeitsrente von der Bundesknappschaft, die seine finanziellen Nachteile vollständig ausglich. Hierauf stellte die Rechtsvorgängerin der Beklagten die unmittelbaren Zahlungen an den Kläger ein. Sie wurde stattdessen von der Bundesknappschaft bis zur Höhe der Verdienstdifferenz regressiert. Dennoch nahm der Kläger die Rechtsvorgängerin zunächst außerprozessual auf Zahlung eines weiteren Verdienstausfalls in Anspruch. Mit einem an die Rechtsvertreter des Klägers gerichteten Schreiben vom 6.10.1995 (Bl. 29 d.A.) trat die Rechtsvorgängerin diesem Begehren entgegen. Das Schreiben lautet auszugsweise:
"Ihre Ausführungen zur Neuberechnung der Rente von der Knappschaft sind uns unverständlich. Bekanntlich hatten wir in der Vergangenheit den jeweiligen Minderverdienst Ihres Mandanten voll ausgeglichen, weshalb ihm ein weiterer Anspruch nicht mehr zusteht. Dies gilt auch für die Zukunft, da die Rente wegen Berufsunfähigkeit den monatlichen Minderverdienst in jedem Falle übersteigt. Sollten Sie bezüglich der Berechnung der Rente begründete Zweifel haben, so wollen Sie sich bitte an die Bundesknappschaft wenden, da diese hierfür ausschließlich zuständig ist."
Mit Schreiben vom 15.3.1996 (Anlage zur Klageschrift und Bl. 135 d.A.) wandte sich die Rechtsvorgängerin an den Vater des Klägers. Auch dieses Schreiben nimmt Bezug auf eine mögliche unfallbedingte Verkürzung des Altersruhegeldes. Das Schreiben lautet auszugswe...