Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Aktenzeichen 1 O 181/18) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten zu 1 gegen das am 29.5.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 1 O 181/18 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte zu 1.
III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 1 darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines mit der Beklagten zu 1 im Jahr 2017 geschlossenen Vertrags über den Erwerb von Inhaberschuldverschreibungen aufgrund des im Jahr 2018 erklärten Widerrufs seiner Vertragserklärung.
Die Beklagte zu 1 ist eine luxemburgische Gesellschaft und Emittentin selbst aufgelegter Inhaberschuldverschreibungen. Die Beklagte zu 2 ist ebenfalls eine luxemburgische Gesellschaft mit einer Zweigniederlassung in F., die Dienstleistungen im Bereich der Kapitalanlage erbringt.
Der Kläger hatte in der Vergangenheit über die P. AG, eine schweizerische Vermögensverwaltungsgesellschaft, persönliches Barvermögen in verschiedenen Anlageformen angelegt. Die P. AG kündigte im März 2017 die Geschäftsbeziehung mit allen Privatkunden, so auch mit dem Kläger (Anlage K1, Blatt 36), wodurch ein Betrag in Höhe von 243.000 EUR frei wurde.
Mit Schreiben vom 13.6.2017 (Anlage K2, Blatt 37) wandte sich die V. d. c. GmbH in B. an den Kläger und stellte für eine Neuveranlagung des freigewordenen Vermögens die Kontaktaufnahme durch einen Betreuer im Wege eines persönlichen Gesprächs in Aussicht, wodurch "Zugang zu einer der modernsten Anlageformen" geschaffen werden könne, "transparent in direktem Zugriff täglich einsehbar", "kurzfristig verfügbar durch tägliche Rücknahmen ohne Kosten seitens P." und "niedrigste Nebenkosten durch M.". Untervermittlerin der V. d. c. GmbH war die F. Wirtschaftsberatungs GmbH mit Sitz in B., deren Mitarbeiter der im Laufe des Rechtsstreits verstorbene Zeuge P. war. Dieser war der Finanzberater des Klägers bei früheren Anlagegeschäften.
Der Kläger unterzeichnete am 15.5.2017 einen Konto- und Depoteröffnungsvertrag mit der Beklagten zu 2 (Anlage K3, Blatt 38). Er erhielt von der F. GmbH im Auftrag der Beklagten zu 2 eine schriftliche Anleitung zum Ausfüllen der Formulare (Anlage K 22, Blatt 159). Der Depotvertrag enthielt eine Widerrufsbelehrung für Verbraucher für den Fall des Vertragsschlusses im Wege des Fernabsatzes (Blatt 39 Rs.).
Am 3.7.2017 zeichnete der Kläger einen Kaufauftrag über 243 Inhaberschuldverschreibungen bezogen auf das Compartment P. 2017/XXXX der Beklagten zu 1 (243 Stück P. 2017-XXXX, ...) zu einem Betrag von nominal 243.000 EUR (Anlage K 5, Blatt 42). Die genauen Umstände der Zeichnung sind zwischen den Parteien streitig, insbesondere ob dem an den Kläger übersandten Kaufauftrag die Widerrufsbelehrung (Fernabsatz) wie Anlage K 6 (Blatt 43) beigelegen hat.
Mit an den Kläger gerichteten Schreiben vom 23.8.2017 (Anlage K 7, Blatt 44) nahm die Beklagte zu 1 die Zeichnung an. Bezogen auf einen Tagespreis von 101,4430 % war darin ein Gesamtbetrag von 246.506,49 EUR beziffert. Zugleich bestätigte die Beklagte zu 1 den Zahlungseingang. In dem Schreiben hieß es weiterhin: "Mit dieser Annahme beginnt die Widerrufsfrist von 14 Tagen. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs, wenn die Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger (z.B. Brief, Telefax, E-Mail) erfolgt. Der Widerruf ist zu richten an die oben genannte Adresse.".
Der Kläger zahlte den Kaufpreis in Höhe von 246.506,49 EUR. Die erworbenen Inhaberschuldverschreibungen wurden vertragsgemäß auf das bei der Beklagten zu 2 geführte Depot übertragen.
Die streitgegenständlichen Inhaberschuldverschreibungen der Beklagten zu 1 haben ausweislich des Emissionsprospekts (Anlage B 1-1, Blatt 192) sowie des Produktinformationsblatts (Anlage B 1-2 Blatt 251) eine feste Laufzeit und werden zum 31.12.2030 als Rückzahlungstermin fällig. Sie verleihen dem Inhaber das Recht, von der Beklagten zu 1 als Emittentin, handelnd für Rechnung des Compartments 2017/XXXX, einem rechtlich unselbstständigen vertraglichen Sondervermögen der Beklagten zu 1, nach Maßgabe der Emissionsbedingungen die Zahlung eines Zinsbetrags sowie des Rückzahlungsbetrages zu verlangen. Diese Zahlungen stehen in Abhängigkeit von einer Referenzanlage. Referenzgesellschaft ist die S. ... 2016/XXX SA, deren Alleingesellschafterin (M. S. (Suisse) GmbH) zugleich auch Alleingesellschafterin der Beklagten zu 1 ist. Zweck der Gesellschaft ist u.a. die "Beteiligung an Wertpapier- und Immobilienopportunitäten" (Blatt 200 Rs.). Nach den Prospektangaben ist kein Handel der Inhaberschuldverschreibungen auf einem regulären Markt vorgesehen und gewährleiste...