Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksame Leistungsbeschränkung in den Bedingungen einer Krankheitskostenversicherung
Leitsatz (amtlich)
Kosten einer pädagogischen Legastheniebehandlung sind in der privaten Krankheitskostenversicherung nicht erstattungsfähig.
Normenkette
MB/KK 94 § 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 19.04.2007; Aktenzeichen 14 O 74/05) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Saarbrücken vom 19.4.2007 - 14 O 74/05 abgeändert und wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 9.920 EUR festgesetzt.
V. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Krankheitskostenvollversicherung unter Einschluss der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK 94). Nach dem vereinbarten Tarif (V-Tarife) sind bei ambulanter Heilbehandlung gem. Ziff. 2 Spiegelstrich 2 erstattungsfähig Aufwendungen für die psychotherapeutische Behandlung durch Ärzte und Diplom-Psychologen sowie logopädische Behandlung durch Ärzte und Logopäden jeweils bis zu 30 Sitzungen im Kalenderjahr. Darüber hinausgehende Leistungen werden nur nach vorheriger schriftlicher Zusage des Versicherers gewährt (Bl. 26 d.A.).
In § 4 Ziff. 2 MB/KK 94, der dem Versicherungsnehmer Wahlfreiheit unter niedergelassenen approbierten Ärzten einräumt, ist zusätzlich bestimmt, dass, sofern der Tarif Leistungen bei Psychotherapie vorsieht, diese auch gewährt werden, wenn die Behandlung auf Veranlassung eines Facharztes durch einen Diplom-Psychologen vorgenommen wird (Bl. 27 RS d.A.).
Mitversichert ist der 10 Jahre alte Sohn des Klägers F.. Dieser leidet an einer ausgeprägten Legasthenie, einer Lese- und Rechtschreibschwäche. Seit Oktober 2003 wird er im Legasthenie-Zentrum D. betreut und nimmt an einer sog. LRS-Therapie im Rahmen einer funktionellen Entwicklungstherapie - mit näher umschriebenen Inhalten (vgl. Bl. 8/9 d.A.) - teil. Nach dem Bericht des Legasthenie-Zentrums D. vom 20.1.2004 handelt es sich bei F. "um einen überdurchschnittlich intelligenten Jungen, bei welchem diverse Teilleistungschwächen zu sehen sind", nämlich eine visuelle Wahrnehmungsschwäche, eine Unterentwicklung der auditiven Diskriminierung der Länge bzw. Kürze des Akzentvokals mit entsprechender Fehlerhäufung im Bereich Dehnung/Schärfung sowie Fehlerhäufungen im Regelbereich (Bl. 8 d.A.).
Eine Kostenzusage wurde von der Beklagten auf die Anfrage des Klägers vom 21.1.2004 unter Hinweis darauf, dass es sich bei der Lese- Rechtschreibschwäche nicht um eine Krankheit handele und die LRS-Therapie eine pädagogische Maßnahme darstelle, nicht erteilt (Bl. 10 d.A.).
Der Kläger nimmt die Beklagte aus dem abgeschlossenen Versicherungsvertrag auf Erstattung der Kosten für die LRS-Therapie in Anspruch. Er vertritt die Auffassung, dass es sich bei der Lese-Rechtschreibschwäche um eine Krankheit im Sinne der Versicherungsbedingungen handele. Denn die Lese- und Rechtschreibschwäche habe erhebliche physische und psychische Auswirkungen. Sein Sohn leide unter ganz massiven psychosomatischen Begleitumständen wie Schlaflosigkeit, Kopf- und Bauchschmerzen vor Leseproben oder Diktaten, verkrampften schweißnassen Händen und Atemschwierigkeiten vor Leseproben sowie Weinkrämpfen. Ohne notwendige medizinische Heilbehandlung bestehe die Gefahr von erheblichen psychischen Spätschäden wie z.B. Depressionen. Dass die Legasthenie Krankheitswert besitze und nicht nur eine Leistungsschwäche darstelle, zeige sich auch daran, dass sein Sohn überdurchschnittlich intelligent und in Fächern wie Sachkunde und Mathematik ein hervorragender Schüler sei. Ferner sei die Legasthenie, wie die Häufung auch in seiner Familie zeige, genetisch bedingt und sei deshalb als Krankheit zu qualifizieren. Die Legasthenie seines Sohnes werde im Legasthenie-Zentrum D., in dem auch Psychologen arbeiteten, mittels einer spezifizierten Psychotherapie behandelt, die über rein pädagogische Maßnahmen hinausgehe. Unter dieser Behandlung sei eine deutliche Verbesserung der Fertigkeiten eingetreten. Schulmedizinisch begleitet werde die Therapie im Übrigen durch den Direktor des Klinikums für Kinder- und Jugendmedizin Prof. Dr. W.. Letztlich sei die Behandlung der Lese- Rechtschreibschwäche, insbesondere aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers, einer logopädischen Behandlung gleichwertig, die nach den Bedingungen der Beklagten ohne weiteres erstattungsfähig sei. Die Kosten für die Therapie beliefen sich auf monatlich 200 EUR, bei Kosten für eine Therapieeinheit i.H.v. 70 EUR.
Der Kläger hat beantragt,
I. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.2...