Leitsatz (amtlich)
Wird der Versicherungsnehmer bei Antragstellung danach gefragt, ob er in den letzten 10 Jahren "wegen Erkrankungen oder Störung der Psyche (z.B. depressive Stimmungen, Angstzustände, Belastungsreaktionen, Essstörungen, Erschöpfungszustände) beraten, untersucht oder behandelt" wurde und unterlässt er daraufhin die Angabe einer ärztlichen Behandlung, aus deren Anlass aufgrund seiner Beschwerdeschilderung eine zweiwöchige Krankschreibung wegen psychischer Belastung durch Arbeit (ICD Z 56G) erfolgte, liegt darin eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit, die den Versicherer zum Rücktritt vom Vertrag berechtigen kann. Dass die vom Arzt gestellte Diagnose - möglicherweise - nicht zutraf oder ihr nach Meinung des die tatsächlichen Umstände kennenden Versicherungsnehmers kein "echter" Krankheitswert zukam, ist hierfür nicht von Belang.
Normenkette
VVG §§ 19, 21; ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 13.12.2021; Aktenzeichen 14 O 406/20) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das am 13.12.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 406/20 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
III. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 90.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um den Fortbestand einer Berufsunfähigkeitsversicherung und um vermeintliche Leistungsansprüche des Klägers wegen behaupteter Berufsunfähigkeit.
Mit Antrag vom 14.11.2013 (Anlage A2, Bl. 12 ff. d.A.) beantragte der Kläger den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Beklagte nahm den Antrag an und policierte den Vertrag mit Versicherungsschein vom 27.11.2013 unter der Versicherungsnummer LV- xxx (Anlage A 1). Versicherungsbeginn war der 01.03.2013. Der Versicherungsvertrag hatte eine Laufzeit bis zum 30.11.2045. Versichert war eine monatlich garantierte Rente ab einer Berufsunfähigkeit von 50 % in Höhe von 1.000,00 EUR. Für den Fall der anerkannten Leistungspflicht war darüber hinaus die Befreiung von der Beitragszahlungspflicht vereinbart. Der monatlich zu zahlende Versicherungsbeitrag belief sich auf 100,98 EUR. Nach dem Vertrag war die Verwendung der Überschüsse zur Verringerung des zu zahlenden Beitrags vereinbart. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses betrug der ermäßigte Beitrag 73,72 EUR. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die selbstständige Berufsunfähigkeitsversicherung - Private Vorsorge (Schicht 3) und Rückdeckungsversicherung (Schicht 2) zugrunde, Anlage BLD 1, Bl. 55 ff. d.A.
Im Rahmen der Antragstellung machte der Kläger Angaben zu seinem Gesundheitszustand und beantwortete die aus dem Antragsformular ersichtlichen Gesundheitsfragen.
Nummer 10 der Gesundheitsfragen lautete wie folgt:
"Wurden sie in den letzten 10 Jahren aus einem oder mehreren der nachstehend genannten Gründen beraten, untersucht oder behandelt oder sind solche Maßnahmen vorgesehen?
[...]
e.) Erkrankungen oder Störungen der Psyche (z.B. depressive Stimmungen, Angstzustände, Belastungsreaktionen, Essstörungen, Erschöpfungszustände)?"
Diese Frage verneinte der Kläger.
Den Gesundheitsfragen, die sich auf S. 18 ff. des Antrages befinden, war im Antragsformular auf S. 15 und 16 eine "Belehrung zur Anzeigepflichtverletzung" vorangestellt. Bezüglich des weiteren Inhalts des Antragsformulars im Einzelnen wird auf Bl. 12 ff. d.A. Bezug genommen.
Seit dem 14.09.2015 war der Kläger durchgängig arbeitsunfähig geschrieben.
Vom 29.09.2016 bis 06.11.2016 nahm der Kläger an einer stationären medizinischen Maßnahme in der AHG M. teil, in der insbesondere seine Alkoholabhängigkeit behandelt wurde.
Am 04.05.2018 (Anlage BLD 2) beantragte der Kläger Leistungen aus der Versicherung. Er gab an, aufgrund psychischer Beschwerden (Depressionen, psychische und Verhaltensstörungen durch Opioide und Alkohol, jeweils mit Abhängigkeitssyndrom) zur Ausübung der von ihm zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit als Gesundheits- und Krankenpfleger ab dem 14.09.2015 nicht mehr in der Lage zu sein. Mit Schreiben vom 24.06.2018 (Anlage BLD 3) teilte der Kläger der Beklagten mit, ab dem 25.06.2018 eine neue Tätigkeit als Produktionsmitarbeiter/Maschinenanlagenführer aufzunehmen.
Im Rahmen der Leistungsprüfung erhielt die Beklagte unter dem 21.06.2018 ein Attest der Gemeinschaftspraxis Dr. S. pp. vom 14.06.2018, woraus sich eine Krankschreibung vom 27.10.2009 bis 08.11.2009 wegen "psychischer Belastungen durch Arbeit" ergab, da der Kläger über Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Leistungsminderung und Konzentrationsstörungen geklagt habe, denn er habe als Krankenpfleger...