Leitsatz (amtlich)
1. Zur Berechnung der Entschädigung eines sturmbedingt beschädigten Gartentores in der Wohngebäudeversicherung.
2. Erweist sich die vom Versicherungsnehmer beabsichtigte Reparatur der nur teilweise beschädigten Sache als unwirtschaftlich, weil sich die Neuherstellung einer gleichwertigen Sache kostengünstiger realisieren lässt, so entsprechen die dadurch bedingten Aufwendungen wirtschaftlich gesehen dem "Neuwert" der Sache, der bedingungsgemäß die Obergrenze der Entschädigung bei einer Beschädigung versicherter Sachen bildet, insoweit wegen der nicht beschädigten Teile der neu herzustellenden Sache aber auch keinen zusätzlichen Kürzungen unterliegt.
Normenkette
VGB Nr. 7.2; VVG §§ 1, 88; ZPO § 287
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 25.02.2022; Aktenzeichen 14 O 37/20) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25. Februar 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 37/20 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 950,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. Mai 2019 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin zu 82 Prozent und die Beklagte zu 18 Prozent. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 71 Prozent und die Beklagte zu 29 Prozent.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 3.290,- Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen wegen eines Sturmschadens aus einer Wohngebäudeversicherung; im zweiten Rechtszug sind nur noch die Kosten der Wiederherstellung eines Gartentores gegenständlich. Sie unterhält bei der Beklagten unter der Versicherungs-Nr. ... einen Versicherungsvertrag über eine Wohngebäudeversicherung zum gleitenden Neuwert, versichert ist das Hausanwesen ... in ..., u.a. gegen die Gefahren "Sturm und Hagel". Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen der Beklagten (VGB 2000/Wohnfläche, Stand: 1. Januar 2008, Anlage B1; im Folgenden nur: "VGB") zugrunde. Am 23. September 2018 kam es im Bereich des versicherten Anwesens zu einem bedingungsgemäßen Sturmereignis; dabei wurde das rechte Torelement des Gartentores aus dem Scharnier gerissen. Die Klägerin meldete der Beklagten diesen Schaden sowie einen Wassereintritt im Bereich eines Fensters; wegen der Beschädigungen am Gartentor reichte sie einen Kostenvoranschlag der Firma S. GmbH vom 18. Oktober 2018 über 4.790,- Euro (netto) = 5.700,10 Euro (brutto) ein (Bl. 13 ff. GA). Der von der Beklagten beauftragte Sachverständige L. nahm eine Ortsbesichtigung vor und bezifferte die schadensbedingten Reparaturkosten in seinem Bericht vom 31. Oktober 2018 auf 1.499,40 Euro brutto (Bl. 30 ff. GA). Die Beklagte, die zuvor bereits Ansprüche der Klägerin wegen des Wassereintritts abgelehnt hatte, wies nach Bestellung der klägerischen Prozessbevollmächtigten (Schreiben vom 19. Februar 2019) wegen der Beschädigung des Gartentores unter Berücksichtigung des vertraglich vereinbarten Selbstbehaltes von 300,- Euro einen Betrag in Höhe von 749,58 Euro als Zeitwertschaden zur Auszahlung an (Schreiben vom 20. Februar 2019, Bl. 20 GA), eine weitere Zahlungsfrist (Schreiben vom 2. Mai 2019, Bl. 22 GA) auf den 16. Mai 2019 verstrich zunächst fruchtlos. Nachdem die Klägerin mit weiterem anwaltlichem Schreiben vom 14. Juni 2020 unter Beifügung eines Lichtbildes mitteilte, dass das Gartentor instandgesetzt worden sei (Bl. 43 f. GA), zahlte die Beklagte einen Betrag von 449,82 Euro als Neuwertspitze aus, weitere Leistungen lehnte sie ab (Bl. 45 GA).
Die Klägerin, die mit ihrer Klage erstinstanzlich auf Zahlung von insgesamt 5.286,36 Euro angetragen hat, darunter weitere 3.290,60 Euro für das beschädigte Gartentor (Bl. 7 GA), hat die Ansicht vertreten, es sei außer dem anlässlich des Sturmereignisses herausgerissenen rechten Flügel auch eine Erneuerung des linken Flügels des Tores erforderlich gewesen, da beide Flügel mit weißen Brettern gefüllt gewesen seien und nur so ein einheitliches Erscheinungsbild hergestellt werden könne. Die Bretter seien stets gestrichen worden, das Gartentor habe nicht unter Verschleiß gelitten, die Farbe sei insgesamt durch den Sturm und herumfliegende Gegenstände und Äste abgeblättert. Sofern Rechnungen der klägerischen Prozessbevollmächtigten durch die Rechtsschutzversicherung beglichen worden seien, sei die Klägerin ermächtigt, die Forderung im eigenen Namen zur Zahlung an sich selbst geltend zu machen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten mit der Ansicht, den Schaden betreffend das Gartentor bereits vollumfänglich reguliert zu haben, nachdem zunächst der Zeitwert und sodann auch die Neuwertspitze entschädigt worden seien. Weitergehende Beträge schulde sie nicht, nachdem der linke Torflügel durch den Sturm in keiner Weise beschädigt worden sei und...