Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen der Erstattungsfähigkeit einer Kinderwunschbehandlung durch den privaten Krankenversicherer.

2. Die für Kinderwunschbehandlungen mittels In-vitro-Fertilisation mit Intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (IVF/ICSI) geforderte Erfolgswahrscheinlichkeit von 15 Prozent kann auf Behandlungen der Intrauterinen Insemination (IUI) nicht unbesehen übertragen werden.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Aktenzeichen 14 O 224/15)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 13. Dezember 2018 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 224/15 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 538,78 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 29. August 2015 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 147,56 Euro zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Kläger zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 8.000,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit seiner am 3. November 2015 zum Landgericht Saarbrücken erhobenen Klage hat der Kläger die Beklagte aus einer privaten Krankheitskostenversicherung auf Erstattung von Aufwendungen für Maßnahmen anlässlich einer Kinderwunschbehandlung in Anspruch genommen.

Zwischen den Parteien besteht für den am 18. Januar 1970 geborenen Kläger eine private Krankheitskostenversicherung für Beihilfeberechtigte im Tarif KB30 und KB20, der im Jahre 1992 auf der Grundlage Allgemeiner Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung, darunter den Musterbedingungen 1976 des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KK 76, Bl. 55 ff. GA), abgeschlossen wurde. Der Versicherungsschutz umfasst u.a. die 50-prozentige Kostenerstattung für notwendige ambulante und stationäre Behandlungskosten, eine Selbstbeteiligung ist nicht vereinbart. Versicherungsfall ist gemäß § 1 Nr. 2 MB/KK die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Kläger lebt mit seiner am 20. November 1972 geborenen, bei einer anderen Gesellschaft privat krankenversicherten Lebenspartnerin in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Gemeinsame Kinder hat das Paar nicht, die Partnerin des Klägers hat ein Kind aus einer früheren Beziehung geboren. Zwischen Dezember 2014 und Juni 2015 ließen der Kläger und seine Partnerin zwei Behandlungen der Intrauterinen Insemination (IUI) und, daran anschließend, zwei Behandlungszyklen einer In-vitro-Fertilisation mit intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (IVF/ICSI-Behandlungen) durchführen. Hierdurch entstanden Kosten in Höhe von insgesamt 11.484,20 Euro, darunter ein Betrag in Höhe von 1.077,55 Euro für die zunächst erfolgten Inseminationsbehandlungen (Anlagenkonvolut K8, Bl. 19 ff. GA; Anlagen K25 und K26, Bl. 98 ff. GA). Unter Hinweis auf eine männliche Einschränkung erbat der Kläger mit Schreiben vom 19. Dezember 2014 eine ausdrückliche Kostenzusage von der Beklagten. Diese bat den Kläger wiederholt um Vorlage medizinischer Unterlagen, bevor sie mit Schreiben vom 1. Juni 2015 ihre Eintrittspflicht ablehnte. Eine anwaltliche Fristsetzung vom 14. August 2015 (Bl. 41 f. GA) blieb erfolglos.

Der Kläger, der mit seiner Klage zuletzt die tarifgemäße 50-prozentige Erstattung der in Rechnung gestellten Behandlungskosten für die bereits durchgeführten IUI- und IVF/ICSI-Behandlungen geltend gemacht und darüber hinaus die Feststellung begehrt hat, dass die Beklagte im tarifgemäßen Umfang auch für einen weiteren Zyklus in Form einer IVF/ICSI-Behandlung eintrittspflichtig sei, hat behauptet, bei ihm liege eine gravierende Subfertilität vor, die im unbehandelten Zustand seine Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtige und gleichermaßen zur Paarsterilität führe. Aufgrund dieser fertilitätsrelevanten Beeinträchtigung, die eine Krankheit im Sinne der Versicherungsbedingungen der Beklagten darstelle, seien die geltend gemachten Behandlungen, zunächst zwei Inseminationen (IUI-Behandlungen) und nach deren frustranen Verlauf sodann die durchgeführten IVF/ICSI-Behandlungen im streitgegenständlichen Umfang indiziert und medizinisch notwendig gewesen. Die medizinischen Erfolgsaussichten der IVF/ICSI-Behandlungen betrügen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung mindestens 15 Prozent pro Behandlungszyklus, was sich insbesondere aus dem aktuellen IVF-Register in Verbindung mit dem Alter der Partnerin des Klägers und unter Berücksichtigung der sehr günstigen individuellen Umstände des Paares ergebe. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten mit der Behauptung, bei dem Kläger liege weder Zeugungsunfähigkeit, noch eine schwere männliche Fertilitätsstörung, sondern ein Normalzustand vor. Auch seien die streitgegenständliche Behandlungen aus der gebotenen ex ante-Sicht insgesamt nicht medizinisch notwendig gewesen und die eingereichten ...

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