Leitsatz (amtlich)
1. Ein Rechtsstreit zwischen Absonderungsberechtigten (Zessionaren) ohne jede Beteiligung des Insolvenzverwalters fällt nicht unter die Annexzuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000.
2. Beurteilen sich die Drittwirkungen einer Abtretung nach deutschem Internationalen Privatrecht, ist auch nach Aufhebung des Art. 33 Abs. 2 EGBGB a. F. das Statut der abgetretenen Forderung (Forderungsstatut) maßgeblich.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Aktenzeichen 4 O 119/16) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 28. April 2017 (Aktenzeichen 4 O 119/16) abgeändert:
Unter Abweisung der Klage wird auf die Widerklage die Klägerin verurteilt, zu Gunsten der Beklagten die Freigabe der beim Amtsgericht Merzig zu dem Aktenzeichen 4 HL 5/16 hinterlegten Beträge in Höhe von 13.901,64 EUR nebst den hierauf entfallenden Hinterlegungszinsen zu erklären.
2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 22.000 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die klagende Bank mit Sitz in Deutschland und die beklagte Bank mit Sitz in Luxemburg begehren wechselseitig die Freigabe eines in Deutschland hinterlegten Geldbetrags.
Frau E. F. (fortan: Insolvenzschuldnerin), eine luxemburgische Staatsbürgerin mit Wohnsitz in P. (Deutschland), hatte im Rahmen des mit der Klägerin abgeschlossenen, deutschem Recht unterliegenden Darlehensvertrags vom 29. März 2011 über einen Nettokreditbetrag von 64.791,27 EUR den jeweils pfändbaren Teil ihrer gegenwärtigen und künftigen Lohn- und Gehaltsforderungen, einschließlich insbesondere der Pensionsansprüche, gegen ihren Arbeitgeber, ... pp. in Luxemburg, an die Klägerin abgetreten. Mit Datum vom 15. Juni 2011 schloss die Insolvenzschuldnerin einen weiteren Darlehensvertrag mit der Beklagten über ein geliehenes Kapital von 26.000 EUR. Über die darin enthaltene Abtretung derselben Gehalts- und Pensionsansprüche der Insolvenzschuldnerin wurde die zuständige luxemburgische Trésorerie de l'État am 20. September 2012 benachrichtigt. Durch Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 5. Februar 2014 wurde über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und die Rechtsanwältin M. W. in M. als Treuhänderin bestellt. Diese zog vom Arbeitgeber der Insolvenzschuldnerin in Luxemburg pfändbare Gehaltsanteile bis zum Ablauf des Abtretungszeitraums am 4. Februar 2016 in Höhe von 13.901,64 EUR ein und hinterlegte diesen Betrag, nachdem die Klägerin wegen einer Forderungssumme von 71.091,54 EUR und die Beklagte wegen einer Forderungssumme von 31.942,95 EUR Absonderungsrechte geltend machten, unter Berufung auf eine Gläubigerunsicherheit beim Amtsgericht Merzig (Aktenzeichen 4 HL 5/16).
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, auf beide Abtretungen sei deutsches Recht anzuwenden, weshalb die zeitlich frühere Abtretung an sie gemäß § 114 InsO in Verbindung mit §§ 398 ff. BGB derjenigen an die Beklagte vorgehe. Hilfsweise hat die Klägerin bestritten, dass der Beklagten auf Grund einer Sicherungsabtretung vom 15. Juni 2011 überhaupt ein Recht an dem streitgegenständlichen Betrag zustehe und dass diese Abtretung zeitlich vor derjenigen an die Klägerin offengelegt worden sei. Die Klägerin hat weiter bestritten, dass die Insolvenzschuldnerin ihre Arbeit gewöhnlich nach dem Arbeitsvertrag in Luxemburg zu erbringen gehabt habe und vorliegend im Arbeitsvertrag keine Rechtswahl zur Anwendbarkeit des deutschen Rechts getroffen worden sei. Ferner sei auf den zwischen der Beklagten und der Insolvenzschuldnerin mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland geschlossenen Verbraucherdarlehensvertrag deutsches Recht anzuwenden, weil die Beklagte ihre Finanzdienstleistungen auch in Deutschland betreibe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, zu Gunsten der Klägerin die Freigabe der beim Amtsgericht Merzig zu dem Aktenzeichen 4 HL 5/16 hinterlegten Beträge in Höhe von 13.901,64 EUR nebst der hierauf entfallenen Hinterlegungszinsen zu erklären.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im Wege der Widerklage hat die Beklagte beantragt,
die Klägerin zu verurteilen, zu Gunsten der Beklagten die Freigabe der beim Amtsgericht Merzig zu dem Aktenzeichen 4 HL 5/16 hinterlegten Beträge in Höhe von 13.901,64 EUR nebst der hierauf entfallenen Hinterlegungszinsen zu erklären.
Die Klägerin hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, der Darlehensvertrag vom 15.06.2011 mit der Insolvenzschuldnerin sei in Luxemburg abgeschlossen worden, ebenso sei die Abtretungsurkunde in Luxemburg (Mondorf-les-Bains) erstellt worden. Die Insolvenzschuldnerin habe ihre Gehaltsansprüche am 22.03.2012 an die Beklagte abgetreten, was gegenüber der Arbeitgeberin unter dem 20.09.2012 offen...