Leitsatz (amtlich)
a) Ein Kfz-Vertragshändler verliert nicht den Anspruch auf Rückkauf des vertragsgemäß unterhaltenen Ersatzteil- und Zubehörlagers, wenn er nach einer sog. Strukturkündigung des Altvertrages durch den Hersteller den Abschluss eines Neuvertrages ablehnt.
b) Entgegenstehende Klauseln in einem formularmäßigen Händlervertrag sind nach § 9 Abs. 1 AGBG bzw. § 307 BGB unwirksam.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 07.09.2004; Aktenzeichen 7-II O 132/03) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 7.9.2004 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen II des LG in Saarbrücken - Az. 7-II O 132/03 - aufgehoben.
Der Klageantrag ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Die Sache wird zur Entscheidung über die Anspruchshöhe an das LG zurückverwiesen.
2. Die Entscheidung über die Kosten unter Einschluss derjenigen des Berufungsverfahrens bleibt dem Endurteil über den Betrag vorbehalten.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Wert der durch diese Entscheidung für die Beklagte begründeten Beschwer übersteigt 20.000 EUR.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin verfolgt einen Rückkaufanspruch aus einem Vertragshändlervertrag.
Bei der Beklagten handelt es sich um die alleinige Importeurin von Fahrzeugen der Marke P. in Deutschland. Die Klägerin war für die Beklagte viele Jahre als Vertragshändlerin tätig, zuletzt auf der Grundlage eines schriftlichen Händlervertrages vom Mai/Juni 1987 (Anlagenband K 1).
Im Zuge der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 1475/95 (im Folgenden GVO 95) in nationales Recht kündigte die Beklagte den auf unbestimmte Zeit geschlossenen Händlervertrag mit Schreiben vom 23.12.1996 (Anlage K 2) "der guten Ordnung halber" zum 31.1.1999 und bot der Klägerin den Abschluss eines neuen Händlervertrages an. Der neue Händlervertrag enthielt neben Anpassungen an das geänderte Recht auch Abweichungen ggü. dem alten Händlervertrag, die nicht hierdurch bedingt waren. Die Parteien streiten darüber, ob diese Änderungen der Beklagten in erheblichem Umfang nachteilig waren. Die Klägerin war jedenfalls nicht bereit, einen Folgevertrag abzuschließen. Sie teilte dies der Beklagten mit Schreiben vom 14.2.1997 mit.
Die Klägerin hat die Beklagte sodann im Verfahren 7-II O 128/00 des LG Saarbrücken auf Zahlung eines Ausgleichs analog § 89b HGB in Anspruch genommen. Die Klage wurde durch Urteil des LG Saarbrücken vom 13.11.2001 abgewiesen (Anlage zur Akte). Das Urteil ist nach Rücknahme eines von der Klägerin eingelegten Rechtsmittels rechtskräftig.
Mit vorliegender Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten den Rückkauf von Ersatz- und Zubehörteilen Zug um Zug gegen Rückgabe der im Klageantrag näher bezeichneten Teile unter Berufung auf Abschnitt XVII Ziff. 2b des Händlervertrages. Dieser lautet u.a. wie folgt:
Ersatz- und Zubehörteile werden zu dem zum Zeitpunkt der Rücknahme gültigen Händlereinkaufspreis abzgl. gewährter Sondernachlässe und abzgl. von 30 % zurückgenommen ...
Erfolgt die Beendigung des Vertrages durch eine ordentliche Kündigung von PTD oder aus Gründen, die der Vertragshändler nicht zu vertreten hat, ist PTD auf Verlangen des Vertragshändlers verpflichtet, die Vertragsware zu den vorstehenden Bedingungen zurückzukaufen ...
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei vertraglich zum Rückkauf verpflichtet, weil sie den Händlervertrag mit Schreiben vom 23.12.1996 ordentlich gekündigt habe. Wer den Beendigungsgrund zu vertreten habe, sei danach unerheblich. Dessen ungeachtet habe die Klägerin die Gründe für die Vertragskündigung, die in der Notwendigkeit der Anpassung bestehender Händlerverträge an die GVO 95 liegen, nicht zu vertreten. Die Klägerin hat vorgetragen, die von ihr vorgenommene Anspruchsberechnung stehe im Einklang mit Abschn. XVII Ziff. 2b des Händlervertrages. Die im Klageantrag näher bezeichneten Teile seien sämtlich Originalteile, die sie bei der Beklagten bezogen habe. Die Teile befänden sich in ordnungsgemäßem, rücknahmefähigen Zustand.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 80.641,99 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit 16.10.2002 zu zahlen; und zwar Zug um Zug gegen Herausgabe der auf den S. 2 bis 88 der Klageschrift bezeichneten Teile.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, in dem wegen des Ausgleichsanspruches geführten Verfahren 7-II O 128/00 des LG Saarbrücken sei durch Urt. v. 13.11.2001 mit Bindungswirkung für vorliegendes Verfahren festgestellt worden, dass es sich bei der mit Schreiben vom 23.12.1996 erklärten Kündigung nicht um eine ordentliche Kündigung handele und dass die Klägerin die Beendigung des Händlervertrages zu vertreten habe, weil sie ohne sachlichen Grund den Abschluss eines Folgevertrag abgelehnt habe, was einer unprovozierten Eigenkündigung gleichkomme und zum Wegfall des Ausgleichsanspruches geführt habe. Da in dem Vorprozess rechtskräftig festgestellt sei, dass die Klägerin die Vertragsbeendigung zu vertreten habe, sei die Beklagte nach...