Leitsatz (amtlich)
1. Im Amtshaftungsprozess sind bestimmte Maßnahmen der Staatsanwaltschaft nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege vertretbar sind. Pflichtwidriges Handeln ist ihr nur dann anzulasten, wenn sie bei einer sachgerechten Würdigung des zur Beurteilung stehenden Sachverhalts nicht der Annahme sein durfte, die beantragte Maßnahme könnte gerechtfertigt sei. Eine solche Beschränkung der gerichtlichen Nachprüfung im Amtshaftungsprozess auf bloße "Vertretbarkeit" gilt jedoch nicht für die Art und Weise der Zusammenstellung des Aktenmaterials seitens der Ermittlungsbehörde gegenüber dem Ermittlungsrichter. Dies gilt unbeschadet eines gewissen, gerichtlich nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraums bei der Auswahl des Materials und der Vorlage der Ermittlungsergebnisse gegenüber dem Ermittlungsrichter (Anschluss: BGH NJW 2003, 3693).
2. Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für die (vorgelagerte) Referierung von Ermittlungsergebnissen seitens der Kriminalpolizei gegenüber der Staatsanwaltschaft. Die Zusammenstellung des Aktenmaterials muss den Staatsanwalt in die Lage versetzen, eine umfassende rechtliche Würdigung des Sachverhaltes vorzunehmen und auf dieser Grundlage eine eigene verantwortliche Entscheidung über die weiteren Ermittlungsschritte zu treffen. Es besteht auch insoweit kein Grund für eine Beschränkung der gerichtlichen Nachprüfung im Amtshaftungsprozess auf bloße "Vertretbarkeit".
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Aktenzeichen 4 O 508/16) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 31.08.2017 (Az. 4 O 508/16) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von dem beklagten Land Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung, weil in einem gegen ihn geführten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil seiner Mutter eine Kriminalbeamtin gegenüber der zuständigen Staatsanwältin falsche, den Kläger erheblich belastende Tatsachen übermittelt habe.
Der Kläger verbrachte seine 1931 geborene und inzwischen verstorbene Mutter, Frau E. W., am ... im Anschluss an einen aufgrund ihres schlechten Ernährungs- und Allgemeinzustandes notwendigen Krankenhausaufenthalt zur Kurzzeitpflege in das Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt in M. Zuvor hatte der Kläger seine Mutter, die halbseitig gelähmt, fast durchgehend bettlägerig und an starker Demenz erkrankt war (ehemalige Pflegestufe 3), bereits über mehrere Jahre mit Hilfe eines ambulanten Pflegedienstes in seinem Wohnhaus in I. gepflegt.
Am Morgen des 15.03.2013 wurde die Mutter des Klägers im Pflegeheim einer gynäkologischen Untersuchung unterzogen. Am selben Tag gegen 18 Uhr machte die Pflegedienstleiterin in Begleitung eines Rechtsanwalts bei der Polizei unter Vorlage der schriftlichen Pflegedokumentation (Bl. 9 f. d.A.) und einer schriftlichen "Zusammenfassung Verdachtsmomente Frau L. W." (Bl. 42 f. d.A.) Mitteilung davon, dass der Kläger seine Mutter mehrfach in der Woche, zuletzt am 14.03.2013, unangekündigt mit nach Hause nehme und nach mehreren Stunden wieder zurück bringe; nach jedem Besuch seien bei ihr von den Pflegekräften Verletzungen/Rötungen/Blutungen im Intimbereich und an den Mundwinkeln festgestellt worden; zudem zeige sie jeweils Verhaltensauffälligkeiten und verhalte sich abweisend und ängstlich gegenüber Männern. Der Kläger verhalte sich ebenfalls auffällig, er setze seine bettlägerige Mutter täglich drei Stunden auf einen elektrischen, keine Eigenleistung erfordernden Heimtrainer, obwohl von ärztlicher Seite eine Höchstdauer von täglich 15 Minuten festgelegt worden sei. Am Morgen des 15.03.2013 sei eine gynäkologische Untersuchung bei ihr durchgeführt worden.
Daraufhin wurde ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung und Körperverletzung (§ 177 Abs. 1 und Abs. 5 i.V.m. § 223 StGB) eingeleitet. Am Samstag, den 16.03.2013 um 13.15 Uhr trug die in die Ermittlung eingebundene KHKin B. der zuständigen Staatsanwältin telefonisch den Sachverhalt vor und setzte sie über die bislang vorliegenden Ermittlungsergebnisse in Kenntnis. In dem von der Polizeibeamtin darüber angefertigten Aktenvermerk (Bl. 20 f. BA). heißt es u.a.:
- Sachverhalt, wie er der Eingangsmitteilung und dem Bericht der Beamtin K. zu entnehmen ist (Verdachtsschöpfung der Pflegeleitung, weil Frau L. W. verhaltensauffällig ist, insbesondere gegenüber Männern und Verletzungen am After (blutend) an der Scheide und am Mund aufwies, als sie von ihrem Sohn Herrn L. W. am 14.03.(2013) in die Übergangspflege zurückgebracht wurde).
- Es war durch einen nichtforensischen Gynäkologen eine durch die Pflegedienstleistung initiierte Untersuchung durchgeführt worden. Der ...