Leitsatz (amtlich)
a) Der Geschäftsführer einer GmbH haftet aus § 826 BGB wegen verspäteter Stellung eines Insolvenzantrags nur dann auf Erstattung von Insolvenzausfallgeld, wenn der Gläubiger nach den Rechtsgrundsätzen der Zurechnung eines schadensstiftenden Unterlassens den ihm obliegenden Beweis dafür führen kann, dass die Zahlung von Insolvenzausfallgeld bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags vermieden worden wäre.
b) Für die Anerkennung von Darlegungs- und Beweiserleichterungen ist jedenfalls dann kein Raum, wenn zwischen dem Zeitpunkt der nachgewiesenen Zahlungsunfähigkeit und der Zeitspanne des Insolvenzgeldbezugs ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Aktenzeichen 4 O 261/05) |
Tatbestand
Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die klagende B.-Agentur den Beklagten als Geschäftsführer der in Vermögensverfall geratenen Firma E. E. GmbH, früherer Geschäftssitz:" (im Folgenden: GmbH), unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung in Anspruch.
Gegen die GmbH wurden seit April 2000 Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt. Seit Mai 2000 leistete die GmbH keine Sozialabgaben für die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer; die Rückstände bei der Krankenkassenbezeichnung beliefen sich auf 6.719,05 DM. Anfang Mai 2000 wies das Geschäftskonto der GmbH einen Sollstand von 198.970,94 DM auf. Die Klägerin leistete für den Zeitrahmen 1.4. bis 30.6.2000 an die ehemaligen Arbeitnehmer der GmbH Insolvenzgeld gem. § 183 Sozialgesetzbuch III i.H.v. 6.526,22 EUR. Auf die detaillierte Aufstellung vom 14.7.2005 (Bl. 5 d.A.) wird Bezug genommen.
Am 16.10.2000 stellte der Beklagte einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, dessen Eröffnung mit Beschluss vom 30.11.2001 mangels Masse abgelehnt wurde. Mit Urteil des AG Saarbrücken vom 8.9.2004 wurde der Beklagte u.a. wegen verspäteter Insolvenzanmeldung gem. § 64 Abs. 1, § 84 GmbHG rechtskräftig verurteilt.
Mit Schreiben vom 7.4.2005 forderte die Klägerin den Beklagten unter Fristsetzung zum 30.4.2005 auf, das gezahlte Insolvenzgeld zu erstatten.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe sie in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich geschädigt. Er habe als Geschäftsführer der GmbH den Insolvenzantrag in Kenntnis der Vermögensverhältnisse verspätet gestellt. Dabei habe er billigend in Kauf genommen, dass bei einem Dritten ein Schaden entstehe. Bei rechtzeitigem Antrag wären keine Lohnrückstände entstanden, so dass auch kein Anspruch auf Insolvenzgeld gem. § 183 SGB III gegeben gewesen wäre.
Auch sei der geltend gemachte Anspruch nicht verjährt sein, da die Regelverjährung erst dann zu laufen beginne, wenn der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt habe. Diese Voraussetzungen seien erst im Dezember 2004 erfüllt gewesen, da der zuständige Mitarbeiter der Regresserteilung der Klägerin erst mit Übersendung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten durch die Staatsanwaltschaft Saarbrücken Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt habe.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 6.526,22 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1.5.2005 zu zahlen.
Dem ist der Beklagte entgegengetreten. Er hat die Auffassung vertreten, aus der Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen beziehungsweise der verspäteten Insolvenzantragstellung lasse sich weder eine vorsätzliche, noch eine sittenwidrige Schädigung der Klägerin herleiten. Vorsorglich erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung. Er hat behauptet, die Klägerin habe nicht erst mit der Übersendung der Akten durch die Staatsanwaltschaft Saarbrücken, sondern zu einem "weit früheren Zeitpunkt" Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen erlangt.
Das LG hat der Klage stattgegeben.
Die Berufung des Klägers hatte Erfolg und führte unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung zur Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
A. Die zulässige Berufung hat Erfolg. Entgegen der Auffassung des LG steht der Klägerin auch aus § 826 BGB kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz zu, da die Klägerin den ihr obliegenden Beweis dafür, dass die unterlassene Stellung des Insolvenzantrags für die Zahlung des Insolvenzgeldes im Rechtssinne kausal wurde, nicht erbracht hat.
1. Zunächst kann die Klägerin den Anspruch auf Erstattung des Insolvenzgeldes nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG herleiten. Zwar handelt es sich bei § 64 Abs. 1 GmbHG um ein Schutzgesetz zugunsten der Gläubiger der GmbH i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB. Jedoch gehört die Bundesanstalt nicht zum Kreis der geschützten Gesellschaftsgläubiger. Denn die Bundesanstalt wurde erst dadurch Gesellschaftsgläubigerin, dass die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt, die den Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, kraft Gesetzes gem. § 187 SGB III auf sie übergegangen sind. Die Klägerin leitet ihre Rechtsstellung als Gläubig...