Leitsatz (amtlich)
Zur Haftungsverteilung beim Zusammenstoß eines rückwärts in eine Grundstückseinfahrt einbiegenden Lkw mit einer Radfahrerin, die einen Radweg in der "falschen" Richtung befährt.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 09.04.2014; Aktenzeichen 4 O 134/12) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil und Teilanerkenntnisurteil des LG Saarbrücken vom 9.4.2014 (Aktenzeichen 4 O 134/12), berichtigt durch Beschluss vom 8.5.2014, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden i.H.v. 75 v.H. zu ersetzen, die dieser auf Grund des Unfallereignisses vom 29.8.2011 entstanden sind oder noch entstehen werden, soweit nicht ein Übergang auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte stattgefunden hat.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 603,93 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin zu 25 v.H. und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 75 v.H. zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin befuhr am 29.8.2011 um 15.30 Uhr mit ihrem Damenfahrrad S 200 Comfort den linken Seitenweg der Straße ... pp. in S. in Richtung E.. In Höhe des zur Firma B. gehörenden Parkplatzes wollte der Beklagte zu 1 mit dem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten geschlossenen Kastenwagen VW Crafter mit dem amtlichen Kennzeichen XXX-X XXX von der gegenüberliegenden rechten Fahrbahn unter Überquerung der linken Fahrbahn rückwärts in die dortige Grundstückeinfahrt abbiegen. Es kam zum Zusammenstoß mit der Klägerin, die einen Schädelbasisbruch erlitt, obgleich sie einen Fahrradhelm trug. Die Beklagte zu 2 erkannte außergerichtlich eine Haftung von 30 v.H. auf Grund der Betriebsgefahr an.
Die Klägerin hat behauptet, der von ihr befahrene Seitenweg sei auch als Radweg gewidmet gewesen. Der Beklagte zu 1 sei ohne Vorwarnung schnell rückwärts gefahren, weshalb es für die Klägerin keine Ausweichmöglichkeit gegeben habe.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dieser auf Grund des Unfallereignisses vom 29.8.2011 entstanden sind oder noch entstehen werden, soweit nicht ein Übergang auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte stattgefunden hat und
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 603,93 EUR zu zahlen.
Die Beklagten haben im Schriftsatz vom 2.5.2012 den Feststellungsantrag unter Verwahrung gegen die Kosten insoweit anerkannt, als sie verpflichtet werden sollen, als Gesamtschuldner der Klägerin sämtliche auf Grund des Unfallereignisses vom 29.8.2011 entstandenen oder noch entstehenden materiellen Schäden zu 30 v.H. zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist oder übergeht und den künftigen immateriellen Schaden aus diesem Verkehrsunfall unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote von 70 v.H. zu ersetzen (Bd. I Bl. 24 f. d.A.).
Im Übrigen haben die Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben behauptet, der Beklagte zu 1 habe sich vor dem Rückwärtsfahren ordnungsgemäß vergewissert. Ein etwaiger Verkehrsverstoß des Beklagten zu 1 wäre auch für die Klägerin erkennbar gewesen.
Das LG hat die Klägerin (Bd. I Bl. 52 f. d.A.) und den Beklagten zu 1 (Bd. I Bl. 53 f. d.A.) als Partei angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen E. Sch. (Bd. I Bl. 54 f. d.A.) und D. Sch.-A. (Bd. I Bl. 55 f. d.A.) sowie gemäß dem Beschluss vom 20.3.2013 (Bd. I Bl. 60 f. d.A.) in Verbindung mit dem Beschluss vom 11.6.2013 (Bd. I Bl. 76 f. d.A. Mitte) und durch Einholung einer amtlichen Auskunft über die Widmung des Weges an der Unfallstelle (Bd. I Bl. 126, 129 ff. d.A.). Mit dem am 9.4.2014 verkündeten Urteil (Bd. I Bl. 140 ff. d.A.), berichtigt durch Beschluss vom 8.5.2014 (Bd. I Bl. 156 f. d.A.), hat das LG unter Klageabweisung im Übrigen festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden i.H.v. 40 v.H. zu ersetzen, die dieser auf Grund des Unfallereignisses vom 29.8.2011 entstanden sind oder noch entstehen werden, soweit nicht ein Übergang auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte stattgefunden hat. Weiter hat das LG die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 402,82 EUR zu zahlen. Der Senat nimmt gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil Bezug.
Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung...