Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Aktenzeichen 4 O 73/16) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 8. November 2016 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 4 O 73/16 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die P. GmbH (im Folgenden Schuldnerin), die Tiefkühlprodukte herstellt und dazu Rohwaren aus dem Ausland importiert, beantragte am 17. April 2015 bei dem Amtsgericht Saarbrücken die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen unter Anordnung der Eigenverwaltung. Das Insolvenzgericht ordnete mit Beschluss vom selben Tag -XXX - die vorläufige Eigenverwaltung durch die Schuldnerin an und bestellte den Kläger zum vorläufigen Sachwalter. Darüber hinaus wurde die Schuldnerin in dem Beschluss ermächtigt, Masseverbindlichkeiten - hinter diesem Wort folgt in Klammern der Zusatz "Lieferanten und Dienstleister" - für den Zeitraum der vorläufigen Eigenverwaltung in Höhe von 3.394.744 EUR zu begründen.
Die Schuldnerin unterrichtete mit Schreiben vom 20. April 2015 ihre Geschäftspartner über die Antragstellung sowie darüber, dass Ziel des Verfahrens die Sanierung des Unternehmens durch einen Insolvenzplan sei. Das Schreiben, das auch an das Hauptzollamt Saarbrücken gerichtet war, enthält desweiteren verschiedene Hinweise unter anderem zu der Vertretungsbefugnis des als Sanierungsgeschäftsführer ("Chief Restructuring Officer") bestellten Rechtsanwalts B. sowie zur Abwicklung künftiger Bestellungen. Es wird die Bitte geäußert, die Schuldnerin auch in Zukunft mit Waren und Leistungen zu bedienen und die Sanierung positiv zu unterstützen.
Die Schuldnerin überwies am 20. Mai 2015 an das Hauptzollamt 5.914,74 EUR und am 29. Juni 2015 weitere 47.789,85 EUR. Die Zahlungen betrafen Einfuhrumsatzsteuer sowie Zölle und erfolgten im Rahmen des so genannten Anschreibeverfahrens, an dem die Schuldnerin seit 2012 aufgrund einer durch die Beklagte erteilten Erlaubnis teilnahm. Dabei handelt es sich um ein vereinfachtes Verfahren zur Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr nach Art. 78 Zollkodex, bei dem die Einfuhrabgaben erst in dem auf die Anmeldung der Wareneinfuhr folgenden Monat aufgrund eines Sammelbescheids zu entrichten sind. Der Zahlung vom 20. Mai 2015 liegen zwei am 23. und am 27. April 2015 über das elektronische System ATLAS gemeldete Einzelforderungen zugrunde; die der Zahlung vom 29. Juni 2015 zugrundeliegenden Einzelforderungen wurden zwischen dem 4. und dem 18. Mai 2015 gemeldet.
Mit Beschluss vom 30. Juni 2015 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, ordnete Eigenverwaltung an und bestellte den Kläger zum Sachwalter. Dieser forderte die beklagte Bundesrepublik Deutschland im Wege der Insolvenzanfechtung vergeblich zur Rückgewähr der beiden Zahlungen auf. Der Rückgewähranspruch ist Gegenstand der im März 2016 zugestellten Klage.
Das Insolvenzverfahren wurde durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 14. Juni 2016 aufgehoben, nachdem die Bestätigung des Insolvenzplans vom 25. Februar 2016 rechtskräftig geworden war. In Abschnitt D "Gestaltender Teil" des Insolvenzplans ist unter V. 2. "Anfechtungsprozesse" Folgendes geregelt: "Eventuell anhängige Rechtsstreite, die eine Insolvenzanfechtung zum Gegenstand haben, kann der Sachwalter auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens fortführen (§§ 259 Abs. 3, 280 InsO). Diese Rechtsstreite werden für Rechnung der Schuldnerin geführt. Evtl. realisierte Zahlungen erhalten die Gläubiger im Wege der Nachtragsverteilung."
Auf Eigenantrag der Schuldnerin vom 22. Dezember 2017 wurde durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 1. März 2018 -XXX - ein neues Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet, und der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. In dieser Eigenschaft erklärte er am 10. September 2019 die Wiederaufnahme des vorliegenden Rechtsstreits.
Der Kläger hat vorgetragen, die Zahlungen seien unter Anfechtungsvorbehalt erfolgt, den Rechtsanwalt B. bei einer Besprechung mit Mitarbeitern des Hauptzollamts am 15. Mai 2015 ausdrücklich erklärt habe. Daneben habe die Beklagte auch aufgrund eines im Begleittext der Überweisungen enthaltenen Vermerks Kenntnis von dem Vorbehalt erlangt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat behauptet, Rechtsanwalt B. habe bei der Besprechung am 15. Mai 2015 mitgeteilt, dass die in dem Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung entstehenden Steuerschulden vollständig bezahlt würden. Weiterhin sei erörtert worden, dass hinsichtlich der verbliebenen Beträge bis zur Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung am 17. April 2015 Zahlungen durch die Schuldnerin nicht erfolgen könnten und dass hierfür die Bankbürgschaft in Anspruch genomm...