Leitsatz (amtlich)
Hebt die Vergabestelle, fehlerhaft beraten durch ein mitwirkendes Ingenieurbüro, eine öffentliche Ausschreibung rechtswidrig auf und wird sie deshalb zu Schadensersatz an einen zu Unrecht nicht berücksichtigten Bieter verurteilt, mindert sich ihr Schadensersatzanspruch gegen das beratende Ingenieurbüro im Wege der Vorteilsausgleichung um die Kostenersparnis einer günstigeren Zweitvergabe.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 08.10.2009; Aktenzeichen 4 O 359/08) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 8.10.2009 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - Az. 4 O 359/08 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 211.463,53 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Klägerin wirft den Beklagten mangelhaftes Vergabemanagement bei einer öffentlich ausgeschriebenen Baumaßnahme vor und nimmt diese als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin beauftragte die damals unter der Bezeichnung "Ingenieurbüro O. ebenfalls als Außen-GbR firmierenden Beklagten durch Vertrag vom 21.11.1993/2.3.1994 (GA 11 f.) mit Ingenieurleistungen für ihr öffentlich ausgeschriebenes Bauvorhaben "Ausbau der Ortsdurchfahrt W.". Der Ingenieurvertrag umfasste neben der Entwurfs- und Ausführungsplanung auch die Vorbereitung der Vergabe und die Mitwirkung bei der Vergabe.
Unter Mitwirkung der Beklagten schrieben die Klägerin und die Stadtwerke B. die Baumaßnahme in verschiedenen Losen aus. Bei ihrer Kostenkalkulationen ermittelten die Beklagten einen Auftragswert von 5.266.819,38 DM.
Zum Submissionstermin am 21.7.1998 lagen mehrere Angebote vor, wovon das Angebot der Firma L. i.H.v. 4.548.607,08 DM das kostengünstigste war. Das zweitgünstigste Angebot hatte die Bietergemeinschaft G. P. mit 5.995.388,40 DM abgegeben. Die übrigen Angebote waren höher.
Nach Prüfung und Wertung der Angebote durch die Beklagten erklärte die Firma L., sie habe sich bei verschiedenen Positionen verkalkuliert, so dass sie den Auftrag zu ihrem Angebotspreis nicht ausführen könne, worauf die Bieterin aus der Wertung genommen wurde.
Mit Schreiben vom 23.7.1998 zeigte die Klägerin der Bietergemeinschaft G. H. an, dass sie die Ausschreibung für das Bauvorhaben gem. § 26 Abs. 1 lit. c VOB/A aufgehoben habe. Als "schwerwiegender Grund" wurde angeführt, dass nach dem Ergebnis der Angebotsprüfung überhaupt kein angemessenes, unter Wirtschaftlichkeitsaspekten annehmbares Angebot vorliege. Hintergrund war, dass das Angebot der Bietgemeinschaft G. H. als günstigstes wertbares Angebot 13,9 % über dem von den Beklagten kalkulierten Auftragswert lag.
Die Bietergemeinschaft G. H. war mit der Aufhebung der Ausschreibung nicht einverstanden. Sie war der Auffassung, ein schwerwiegender Grund liege nicht vor, ihr Angebot sei angemessen und annahmefähig, sie habe ein Recht auf Erteilung des Zuschlages. Mit Schreiben vom 28.7.1998 widersprach sie der Aufhebung der Ausschreibung und wandte sich mit einem weiteren Schreiben gleichen Datums an die Vergabeprüfstelle des Ministeriums des Innern. Die Vergabeprüfstelle teilte der Klägerin mit Schreiben vom 27.8.1998 mit, dass rechtliche Bedenken gegen die Aufhebung des ersten Vergabeverfahrens und die beabsichtigte Neuvergabe bestehen.
Bereits vor Erhalt des Schreibens hatte die Vergabestelle die Baumaßnahme unter Mitwirkung der Beklagten erneut ausgeschrieben. Im zweiten Submissionstermin vom 18.8.1998 war die Firma L. mit einem Angebot über 5.581.801,68 DM die günstigste Bieterin. Das Angebot der Bietergemeinschaft G. H. lag mit 5.807.756,50 DM höher. Nach Prüfung und Wertung der Angebote wurde der Firma L. entsprechend dem Vergabevorschlag der Beklagten der Zuschlag erteilt.
Mit Schreiben vom 24.9.1998 kündigte die Bietergemeinschaft G. H. Schadensersatzansprüche an. Die Klägerin wies diese, beraten durch die Rechtsanwälte, mit Anwaltsschreiben vom 7.10.1998 zurück.
In der Folge nahm die Bietergemeinschaft G. H. die Klägerin und die Stadtwerke B. im Verfahren 4 O 89/99 des LG Saarbrücken als Gesamtschuldner auf Schadensersatz i.H.v. 370.021,93 EUR (723.700 DM) in Anspruch.
Ein am 9.1.2003 ergangenes Grundurteil wurde durch Berufungsurteil des Saarländischen OLG vom 2.7.2003 (Az. 1 U 113/03-31-) einschließlich des zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Im zurückverwiesenen Verfahren verurteilte das LG die Klägerin und die Stadtwerke B. durch Urteil vom 26.7.2007 als Gesamtschuldner, an die Bietergemeinschaft G. H. Schadensersatz i.H.v. 362.922,69 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 26.4.1999 zu leisten...