Leitsatz (amtlich)
1. Zur stillschweigenden Wahl deutschen Rechts durch im Inland ansässige Ehegatten, die im Nachgang zu einer erbvertraglichen Verfügung in weiteren privatschriftlichen Testamenten ergänzende Anordnungen zum Schicksal ihres in Frankreich belegenen Grundbesitzes treffen.
2. Ein gemeinschaftliches Testament kann ungeachtet der Formerleichterung des § 2265 BGB auch in getrennten Urkunden enthalten sein, wenn daraus der Wille der Ehegatten erhellt, eine gemeinschaftliche Erklärung abzugeben. Davon kann auszugehen sein, wenn beide Urkunden nahezu zeitgleich am selben Ort errichtet wurden, erkennbar aufeinander bezogen sind und inhaltlich darauf abzielen, dem in früheren Verfügungen zum Ausdruck gebrachten Willen, die gemeinsamen Kinder vermögensrechtlich gleich zu behandeln, zum Erfolg zu verhelfen.
Normenkette
BGB §§ 1939, 2078, 2087 Abs. 2, §§ 2265, 2270; EUV 650/2012 Art. 22 Abs. 1, 3, Art. 25 Abs. 3, Art. 83
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 05.01.2023; Aktenzeichen 16 O 75/22) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 5. Januar 2023 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 16 O 75/22 - abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, der Übertragung der Grundstücke 102 Rue P., H., Frankreich, Section 12 n 43 - 19 a 82 ca, prés, sol und 14 Rue J., T., Frankreich, Section 2 n 241 - 07 a 45 ca, sol, auf den Kläger zuzustimmen und die Eintragung des Klägers als Eigentümer im Grundbuch zu bewilligen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Beklagten zur Last.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 200.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger hat nach dem Tode des gemeinsamen Vaters der Parteien, F. N. (im Folgenden: Erblasser), mit seiner am 6. Mai 2022 zum Landgericht Saarbrücken eingereichten Klage in erster Linie die Erfüllung eines testamentarischen Vermächtnisses durch den Beklagten, seinen Bruder, begehrt und hilfsweise außerdem, im Wege einer Stufenklage, Pflichtteilsansprüche und dies vorbereitende Ansprüche auf Erteilung von Auskünften und ggf. Versicherung deren Richtigkeit an Eides statt geltend gemacht. Die Mutter der Parteien, M. N., starb am 8. November 2013, der Vater am 24. Januar 2021. Der Beklagte erwirkte nach dessen Tode beim Amtsgericht - Nachlassgericht - Saarlouis ein Europäisches Nachlasszeugnis (Az.: 3 VI 651/21), das ihn - unter Bezugnahme auf ein notarielles Testament des Erblassers vom 5. Mai 2015 - als alleinigen Erben nach seinem Vater ausweist (BI. 63 ff. GA).
Die Eltern der Parteien hatten wiederholt letztwillige Verfügungen errichtet. Am 13. April 1989 schlossen sie einen Erbvertrag (UR Nr. 971/1989 des Notars O. T., Bl. 8 ff. GA), in dem sie sich gegenseitig, der Erstversterbende den Überlebenden, zum alleinigen unbeschränkten Erben einsetzten; ergänzend bestimmten sie jeweils einseitig und ohne erbvertragliche Bindung, dass der Beklagte Erbe des Längerlebenden sein solle. Am selben Tage wurde zwischen den Eheleuten und dem Kläger außerdem ein Erbverzichts- und Pflichtteilsverzichtsvertrag beurkundet (UR Nr. 970/1989 desselben Notars, Bl. 79 f. GA), wonach der Kläger für sich und seine Abkömmlinge gegenüber seinen Eltern auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht an deren künftigem Nachlass verzichtete. In einer handschriftlichen, mit "Testament" überschriebenen und von beiden Eheleuten unterschriebenen Urkunde vom 20. Juni 2008 (Bl. 11 GA) heißt es sodann:
"Im Vollbesitz unserer geistigen Kräfte und ohne Zwang, verfügen wir, dass über unser Vermögen, wie folgt wie folgt verfügt wird.
Unser Sohn D. N., geb. am 09. September 1957 in H., und wohnhaft in H., rue P. 102, erhält als alleiniger Erbe, das Wohnhaus mit Grundstück, in Frankreich, in H., rue P. 102, das Wohnhaus in Frankreich, in T., rue J. 15, und die Eigentumswohnung Nr. 4 in Ü., H.straße Nr. 5."
Unter dem 2. bzw. 4. Januar 2009 unterzeichneten die Eheleute jeweils im Wesentlichen identisch formulierte Urkunden, die jeweils mit "Mein Testament" überschrieben sind und die jeweils wie folgt lauteten (BI. 12, 13 GA):
"Ich (...) vermache hiermit an meinen Sohn, D. N. in H., rue P. 102 wohnhaft, das Nackteigentum aller Güter auf französischem Boden, wovon (...) [= der jeweils andere Ehegatte] den lebenslänglichen und freien Nutznießungsrecht haben soll.
Das Pflichtteil meines Sohnes H. N. ist ihm auf deutschem Boden durch ein Testament gesichert, wodurch ihm das Familienhaus in Ü. A. vermacht ist, auch in Nackteigentum, weil mein (...) [= der jeweils andere Ehegatte] den Genuß lebenslänglich und unentgeltlich haben soll. So sind meine beiden Kinder gleichgestellt damit keiner eine Forderung gegen den andere geltend zu mache...