Leitsatz (amtlich)

1. Zur Einschaltung einer Hilfsperson bei der Beantwortung von Antragsfragen; hier: der Ehemann der Versicherungsnehmerin füllt den Antrag online am PC in deren Beisein und nach deren Vorgaben aus.

2. Eine für den Bezugsberechtigten bestimmte Anfechtungserklärung ist diesem zugegangen, wenn das entsprechende Schreiben den in dieser Angelegenheit auch "zur Entgegennahme von Willenserklärungen (z.B. Kündigung)" bevollmächtigten Rechtsanwalt erreicht und dieser sich zuvor gegenüber dem Versicherer unter Vorlage der Vollmachtsurkunde bestellt und Versicherungsleistungen geltend gemacht hatte.

3. Weil die Anfechtungserklärung nach dem Gesetz keiner Form bedarf, kann aus dem Umstand, dass der Versicherungsnehmer binnen Jahresfrist seinen Rechtsanwalt "nach Ausspruch der Anfechtung" bevollmächtigt haben will, ihn "ab diesem Zeitpunkt" auch "im Anfechtungsverfahren" zu vertreten, geschlossen werden, dass ihr notwendiger Inhalt auch dem Versicherungsnehmer selbst rechtzeitig zugegangen ist.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Aktenzeichen 14 O 194/18)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das am 22. Mai 2019 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 194/18 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

III. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 170.000,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit seiner am 21. November 2018 zum Landgericht Saarbrücken erhobenen Klage hat der Kläger die Beklagte auf Auszahlung der Versicherungsleistung aus einer Risikolebensversicherung in Anspruch genommen.

Für die am 27. Januar 2017 verstorbene Ehefrau des Klägers bestand bei der Beklagten aufgrund eines online gestellten Antrages vom 9. Februar 2015 (Anlage B1) ein Versicherungsvertrag über eine sog. "Hinterbliebenen-Absicherung" nach Tarif CRC.73 (F) - Comfort-Schutz (Versicherungsschein Nr. ..., Bl. 4 GA); Versicherungsbeginn war am 1. März 2015, als Ablauf der Versicherung war der 1. März 2035 vereinbart. Die Versicherungssumme im Todesfall betrug 170.000,- Euro; aufgrund eines entsprechenden Bezugsrechts sollte sie "an den zum Zeitpunkt des Todes in gültiger Ehe lebenden Ehepartner" gezahlt werden. Bestandteil des Vertrages waren u.a. die Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Risikoversicherung (LA 803A (10.14), Bl. 62 ff. GA). Mit Vereinbarung vom 9. Februar 2015 trat die Versicherungsnehmerin "die gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche" aus dem Lebensversicherungsvertrag für den Todesfall in voller Höhe an die Sparkasse Saarbrücken ab (Bl. 57 f. GA). Die Abtretung wurde der Beklagten mit Schreiben vom 20. Februar 2015 angezeigt; dieses enthält die Erklärung der Versicherungsnehmerin, dass sie für die Dauer der Abtretung das bisherige Bezugsrecht insoweit widerrufe, als es dieser entgegenstehe (Bl. 56 GA).

Der am 9. Februar 2015 gestellte Online-Antrag, von dem erstinstanzlich noch unstreitig war, dass dieser von der Ehefrau des Klägers beantragt und eingereicht worden war, enthielt Fragen zur Gesundheit der Antragstellerin, u.a.

1. Sind Sie in den letzten 5 Jahren wegen einer oder mehrerer Krankheiten, Gesundheitsstörungen oder Beschwerden untersucht, behandelt oder beraten worden?

(...)

Lunge, Bronchien, Zwerchfell

(z.B. chronische Bronchitis, Lungenentzündung, Asthma, Atemnot, Schlafapnoe, Emphysem, eingeschränkte Lungenfunktion, Bronchiektasen, Pneumothorax)?

(...)

Psyche

(z.B. Angststörung, Zwangsstörung, chronisches Schmerzsyndrom, Depression, Neurose, Psychose, Essstörung, Burnout-Syndrom, Schizophrenie, psychosomatische Störung, Suizidversuch)?

Diese Fragen wurden ebenso wie alle anderen Fragen nach der Gesundheit der Antragstellerin mit "Nein" beantwortet. Die Beklagte nahm den Antrag am 9. Februar 2015 an und fertigte unter diesem Datum den Versicherungsschein aus.

Nachdem der Beklagten angezeigt worden war, dass die Versicherungsnehmerin am 27. Januar 2017 infolge eines Krebsleidens verstorben sei, trat diese in die Leistungsprüfung ein. Mit Schreiben vom 3. Februar 2017 bat sie den Kläger um Übermittlung verschiedener Auskünfte, u.a. des betreuenden Arztes seiner Ehefrau und der Krankenkasse (Bl. 10 f. GA). Nach Rücksendung der Unterlagen durch den Kläger zeigten die späteren Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 12. April 2017 unter Beifügung einer außergerichtlichen Vollmacht gleichen Datums (BI. 39 GA) die anwaltliche Vertretung des Klägers an und forderten die Beklagte unter Fristsetzung von 8 Tagen zur Zahlung der Todesfalleistung auf. Unter Hinweis auf die erhaltenen Auskünfte der Krankenkasse der Versicherungsnehmerin, aus denen zahlre...

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