Leitsatz (amtlich)

1. Im Zivilrechtsweg ist eine Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Steuerforderung nur zulässig, wenn diese rechtskräftig oder unbestritten ist.

2. Ist die Steuerforderung gem. § 201 Abs. 2 InsO zur Insolvenztabelle festgestellt, so erwächst die Feststellung ggü. dem Schuldner in Rechtskraft. Diese Rechtskraftwirkung muss sich gem. § 406 BGB auch der Zessionar der Hauptforderung entgegenhalten lassen.

3. Die Feststellungswirkung des Tabelleneintrags bezieht sich auf den Zeitpunkt der Feststellung. Die Frage, ob und in welchem Umfang die der Feststellung zugrunde liegenden Steuerforderungen vor dem Zeitpunkt der Feststellung fällig waren, nimmt an der Rechtskraftwirkung des Tabelleneintrags nicht teil.

 

Verfahrensgang

LG S. (Urteil vom 18.08.2008; Aktenzeichen 12 O 71/96)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 06.12.2012; Aktenzeichen VII ZR 189/10)

 

Tenor

1. Auf die Erstberufung der Klägerin und die Zweitberufung des Beklagten wird das Urteil des LG S. vom 18.8.2008 - 12 O 71/96 - unter Zurückweisung beider Rechtsmittel im Übrigen wie folgt abgeändert und neu gefasst:

Der Beklagte wird unter Vorbehalt der Entscheidung über die Aufrechnung des Beklagten vom 11.1./17.1.2005 mit einer Gegenforderung i.H.v. 777.097,37 EUR aus Umsatzsteuer ggü. der Firma GmbH in I., verurteilt, an die Klägerin und an Rechtsanwalt als Konkursverwalter über das Vermögen der Firma GmbH als Gesamtberechtigte 696.364,66 EUR (1.361.970,90 DM) nebst Zinsen aus 645.625,78 EUR (1.262.734,27 DM)

a. für die Zeit vom 3.12.1995 - 31.12.2001 i.H.v. 1 % über dem jeweiligen Lombardsatz der deutschen Bundesbank

b. für die Zeit ab 1.1.2002 i.H.v. 8 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz des Bürgerlichen Gesetzbuches

zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt 57 %, der Beklagte 43 % von den Kosten des Berufungsverfahrens. Der Beklagte trägt 43 % von den Kosten der Streithelferin. Im Übrigen trägt die Streithelferin ihre Kosten selbst. Die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Verfahrens bleibt vorbehalten.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Zwangsvollstreckung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird für alle bislang entstandenen Gebühren auf 1.620.107,96 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin verfolgt mit der Klage Restwerklohn-, Schadensersatz- und Verzugszinsansprüche aus abgetretenem Recht i.H.v. 1.620.107,66 EUR (= 3.168.655,75 DM) gegen das beklagte Land.

Sie leitet ihre Ansprüche von der Firma GmbH in I. (im Folgenden Text: M.) her, deren Geschäftsführer der Ehemann der Klägerin, der Zeuge N. S., war und über deren Vermögen am 5.12.1994 das Konkursverfahren eröffnet wurde.

Im Zeitpunkt der Konkurseröffnung waren die Leistungen aus den Bauverträgen erbracht und abgenommen.

Durch Vereinbarung vom 25.10./6.11.1995 (Bl. 1284-1288 d.A.) verkaufte der Konkursverwalter die Forderungen an die Klägerin, die sie nunmehr geltend macht.

Mit Schreiben vom 21.1.2004 (Bl. 1440 d.A.) erklärte der Konkursverwalter, dass Zahlung an die Klägerin und ihn gem. § 432 BGB zu verlangen sei.

Das beklagte Land hatte die Baumaßnahme "S." im Jahre 1989 mit dem Ziel, die sehr breiten Verkehrsflächen zu reduzieren, ausgeschrieben. Gegenstand der öffentlichen Ausschreibung und des Auftrages (beide in Stehordner I) waren zwei Lose. Los I betraf den Straßenbau (Betonabbruch, Erdarbeiten, Oberbau und Natursteinpflaster). Los II betraf Erdarbeiten zur Verlegung von Versorgungsleitungen (Kabelgraben, Grubensand, KG-Rohre, Aufnehmen der Versorgungskabel).

Die Arbeiten nach Los I wurden im Auftrag des beklagten Landes vergeben. Hinsichtlich Los II streiten die Parteien darüber, ob das beklagte Land auch Auftraggeber dieser Arbeiten war.

Auf Grund eines Angebotes der Firma M. vom 1.6.1989 (Stehordner I) erteilte das beklagte Land, vertreten durch mit Schreiben vom 2.10.1989, bei der Firma M. am 6.10.1989 eingegangen, der Firma M. den Zuschlag über die Angebotssumme von 1.540.812,62 DM (brutto).

Der Auftrag vom 2.10.1989 enthielt auf Blatt 2 den Zusatz:

"Über den Anteil der Stadtverwaltung S. und Stadtwerke S. ist gesondert Rechnung zu legen" (Im Einzelnen Stehordner I).

Mit der Auftragnehmerin wurde eine quotenmäßige Berechnung der auf die Stadt S. und das Land entfallenden Arbeiten vereinbart und später in der Schlussrechnung der Firma M. berücksichtigt. Als Ausführungszeit war ein Arbeitszeitraum von 150 Werktagen vorgesehen. Vertragsgrundlagen waren die VOB/B (1981), die Bewerbungsbedingungen für die Vergabe von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau, die Besonderen Vertragsbedingungen, die Leistungsbeschreibung, die Baubeschreibung und das L...

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