Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 10.06.2014; Aktenzeichen 4 O 64/13) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 10.6.2014 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - 4 O 64/13 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 142.166,23 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.12.2011 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte bezüglich der Forderung aus Ziff. 1 aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung haftet.
3. Wegen der weiter gehenden Zinsforderung wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Beklagte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn, die Klägerin leistet zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin, eine gesetzliche Krankenkasse, hat den Beklagten, der vom 19.4.2007 bis Januar 2009 Geschäftsführer der Firma pp. war, gestützt auf einen Betriebsprüfungsbericht der Deutschen Rentenversicherung vom 5.11.2010 (GA 12 ff.) unter dem Gesichtspunkt der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen für bei der Firma pp. in der Zeit vom 1.1.2007 bis 28.2.2009 beschäftigte Arbeitnehmer auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. insgesamt 142.166,23 EUR in Anspruch genommen. Hiervon entfielen 70.112,83 EUR auf die Arbeitnehmeranteile und 72.053,41 EUR auf die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung. Darüber hinaus hat sie die Feststellung begehrt, dass der Beklagte hierfür aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung haftet.
Der Beklagte hat Fehler bei der Abrechnung eingeräumt, die allerdings nur auf Problemen bei der Kommunikation und Abstimmung mit dem von ihm beauftragten Steuerberater beruhten. Ein vorsätzliches Handeln liege deshalb nicht vor. Zudem hat er die Schadensberechnung als unsubstantiiert gerügt.
Durch das angefochtene Urteil vom 10.6.2014 (GA 135 ff.), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen vollumfänglich gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das LG den Beklagten unter Klageabweisung im Übrigen gem. §§ 823 Abs. 2 BGB, 266a Abs. 1, 14 StGB zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe nicht abgeführter Arbeitnehmeranteile i.H.v. 70.112,83 EUR nebst gesetzlicher Zinsen seit dem 9.12.2011 verurteilt und insoweit festgestellt, dass die Haftung auf vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung beruht. Ein Schadensersatzanspruch wegen nicht abgeführter Arbeitgeberanteile scheitere daran, dass § 266a Abs. 2 StGB kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB sei. § 266a Abs. 2 StGB n.F. bezwecke vielmehr die Sicherung des Gesamtaufkommens an Beiträgen zur Sozialversicherung und nicht etwa den Schutz eines Sozialversicherers.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter, soweit er erstinstanzlich erfolglos geblieben ist.
Sie vertritt die Auffassung, dass es sich bei § 266a Abs. 2 StGB sehr wohl um ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB handele, denn durch die Einfügung von § 266a Abs. 2 StGB sollte auch die Vorenthaltung von Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung in das Schutzkonzept des § 266a StGB einbezogen werden, was auch bei der zivilrechtlichen Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen sei. Denn einheitliches Schutzgut des § 266a Abs. 1 und Abs. 2 StGB sei allein das Beitragsaufkommen und damit das Vermögen der Sozialversicherungsträger.
Zudem seien Verzugszinsen bereits seit dem 26.2.2009 zu zahlen, da der Schadensersatzanspruch der Klägerin mit den fällig gewordenen Beitragsforderungen der Klägerin gegen die GmbH korrespondiere.
Die Klägerin beantragt (GA 163/172, 211), das Urteil des LG Saarbrücken vom 10.6.2014 - 4 O 64/13 - dahingehend abzuändern, dass der Beklagte verurteilt wird, über die erstinstanzlich zuerkannte Hauptforderung von 70.112,83 EUR weitere 72.053,40 EUR jeweils nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.2.2009 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt (GA 182/185, 211), die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil, soweit ihm günstig, unter Wiederholung und Vertiefung seines früheren Vorbringens. Zudem bestreitet er die Aktivlegitimation der Klägerin als zuständige Einzugsstelle und verweist darauf, dass er die Meldungen zur Sozialversicherung von seinem Steuerberater habe erstellen lassen. Vorsatz liege deshalb nicht vor. Schließlich fehle jede Grundlage für die von der Klägerin vorgenommenen pauschalen Zuschätzungen, deren Ermittlungen weder dem Grunde nach der Höhe nach schlüssig dargetan seien.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 29.4.2015 (GA 211 ff.) Bezug genommen.
B. Die Berufung der Klägerin ist nach den §§ 511, 513, 51...