Normenkette
EuGVÜ Art. 5 Nr. 1 u. 3, Art. 13 Abs. 1 Nr. 3, Art. 14 Abs. 1; EGBGB Art. 12, 16, 29, 29d, 40 Abs. 1 S. 2; BGB § 661a
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Aktenzeichen 6 O 25/01, III ZR 323/02) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Saarbrücken (LG Saarbrücken, Urt. v. 27.8.2001 – 6 O 25/01) abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 17.895,22 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz gem. § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes (DüG) für die Zeit vom 24.11.2000 bis zum 31.12.2001 und von 5 % über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB ab dem 1.1.2002 zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 115 % des beizutreibenden Betrages abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision zum BGH wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewinnauszahlung geltend.
Die Beklagte übersandte der Klägerin per Post an ihren Wohnort (S.) Ende September 2000 ein undatiertes Schreiben (Bl. 5 d.A.), dem ein mit „Gewinner-Protokoll, Auszug vom 14.9.2000” überschriebenes Schriftstück (Bl. 6 d.A.) beigefügt war. Die Rückseite des Anschreibens enthielt Werbematerial für Versandartikel (Bl. 2 d.A.). In dem Gewinnerprotokoll wurde die Klägerin als Gewinnerin einer Gewinnziehung über 35.000 DM bezeichnet. Wörtlich heißt es in dem Protokoll:
„Die offizielle Ermittlung des Gewinners konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Die Gewinnauszahlung kann regelgerecht erfolgen.”
Dem Schreiben der Beklagten war darüber hinaus ein Werbeblatt, auf dem u.a. für Schokolade geworben wurde, beigelegt (Bl. 5 RS und Hülle Bl. 53 d.A.).
Die Klägerin sandte daraufhin entspr. der Aufforderung durch die Beklagte eine „eidesstattliche Versicherung” (Bl. 7 und Hülle Bl. 53 d.A.) in einem dem Schreiben der Beklagten beigefügten Antwortkuvert an die Beklagte zurück, und zwar an eine Postfachadresse in Kehl (Bl. 3 d.A.).
Mit anwaltlichem Schreiben vom 9.11.2000 (Bl. 8 d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte auf, den Gewinn i.H.v. 35.000 DM bis spätestens 23.11.2000 auszuzahlen (Bl. 3 d.A.). Die Beklagte bat mit Schreiben vom 23.11.2000 (Bl. 9 d.A.) um Übersendung der Gewinnspielunterlagen. Diese wurden ihr unter nochmaliger Fristsetzung zur Auszahlung auf den 15.12.2000 mit Schreiben vom 6.12.2000 (Bl. 10 d.A.) übersandt (Bl. 4 d.A.).
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass die Beklagte als Anbieterin von Versandwaren „Unternehmerin” i.S.d. § 14 BGB sei. Sie, die Klägerin, sei „Verbraucherin” i.S.v. § 13 BGB. Da die Beklagte ggü. der Klägerin durch die Gestaltung der Zusendung den Eindruck erweckt habe, dass die Klägerin einen Preis gewonnen habe, sei die Beklagte gem. § 661a BGB verpflichtet, der Klägerin den Gewinn auszuzahlen (Bl. 3 d.A.).
Bei dem Anspruch aus der Gewinnermittlung handle es sich um einen vertragsähnlichen Anspruch, der auf dem Setzen eines Rechtsscheins bzw. Vertrauenstatbestandes beruhe (Bl. 31 d.A.). In Fällen der Erfüllungshaftung für zurechenbar gesetzten Rechtsschein gelte gem. Art. 29, 29a EGBGB das Recht des Ortes, an dem die Mitteilung bestimmungsgemäß empfangen worden sei. Da die Beklagte die Gewinnermittlung an den Wohnsitz der Klägerin versandt habe, sei deutsches Recht anwendbar. Dies folge auch aus Art. 40 EGBGB bzw. Art. 29 Abs. 2 EGBGB, da der Anspruch der Klägerin als deliktischer oder vertraglicher Anspruch zu qualifizieren sei. Im Übrigen sei die deutsche Gerichtsbarkeit gem. Art. 5 Nr. 1 oder Nr. 3 EuGVÜ bzw. Art. 13 ff. EuGVÜ international zuständig (Bl. 3 u. 31 f. d.A.).
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 35.000 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt und die Ansicht vertreten, dass es sich bei dem Anspruch aus § 661a BGB um einen gesetzlichen Anspruch handle, der weder deliktisch noch vertraglich qualifizierbar sei (Bl. 26 d.A.). Daher sei dieser Anspruch vor dem allgemeinen Gerichtsstand, nämlich Straßburg (Frankreich), zu prüfen. Auch handle es sich nicht um einen Verbraucheranspruch. Die Klägerin könne nicht den europäischen Verbraucherschutz beanspruchen, da sie lediglich an einem Spiel teilgenommen, aber keine Bestellung von Waren getätigt habe. Erforderlich sei insoweit jedoch ein konkreter Warenabsatz (Bl. 26 f. u. 33 d.A.).
Die Beklagte hat ferner behauptet, am unteren Rand des dem Schreiben vom September 2000 beigefügten Werbeblattes für Schokolade seien Vergabebedingungen der Beklagten abgedruckt gewesen. In diesen heiße es (Bl. 36 d.A.):
„Vergabebedingungen: Dieses Gewinnspiel gehört zu den von S.A.V.P.C. im Jahr 2000 veranstalteten Gewinnziehungen, die in variierenden Formen ver...