Leitsatz (amtlich)

1. Ist ein Fahrzeug bei Gefahrübergang mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 715/2007 ausgestattet, auf Grund derer die Gefahr einer Betriebsuntersagung bzw. Betriebsbeschränkung besteht, eignet sich das Fahrzeug nicht für die gewöhnliche Verwendung und ist daher mit einem Sachmangel behaftet. Wird in diesem Fall durch den Hersteller des Fahrzeugs ein Software-Update zur Verfügung gestellt, das nach Mitteilung des Kraftfahrtbundesamts geeignet ist, die Gefahr einer Betriebsuntersagung bzw. Betriebsbeschränkung abzuwenden, stellt das Aufspielen dieses Updates grundsätzlich eine geeignete Möglichkeit der Nacherfüllung dar.

2. Wurde ein von dem sog. Dieselabgasskandal betroffenes Fahrzeug zu einem Zeitpunkt erworben, zu dem die Dieselabgasproblematik bereits öffentlich bekannt war und eine mit dem Kraftfahrtbundesamt abgestimmte Lösung zur Vermeidung von Betriebsuntersagungen bzw. Betriebsbeschränkungen angekündigt war, kann zur Begründung der Kausalität zwischen einem dem Hersteller zuzurechnenden Verhalten und einem auf Seiten des Käufers entstandenen Schaden in Form des Abschlusses eines tatsächlich nicht gewollten Vertrags nicht auf eine allgemeine Vermutung dahingehend zurückgegriffen werden, dass Kunden von dem Kauf entsprechender Fahrzeuge von vornherein Abstand genommen hätten, wenn ihnen die Problematik bekannt gewesen wäre.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Aktenzeichen 12 O 314/17)

 

Tenor

1. Auf die Berufungen der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 5. September 2018 - 12 O 314/17 - teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein von dem sog. Dieselabgasskandal betroffenes Fahrzeug in Anspruch.

Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 12. Januar 2016 erwarb der Kläger von dem Beklagten zu 1, der Fahrzeuge unterschiedlicher Marken gewerblich veräußert, einen gebrauchten Pkw der Marke VW Beetle 2.0 l TDI, 103 kW, mit einer damaligen Laufleistung von 54.000 km zu einem Preis von 19.400 EUR. Die Beklagte zu 2 ist die Herstellerin des Fahrzeugs. Bei Vertragsschluss wurden die allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten zu 1 einbezogen, die unter Ziff. VI. eine Klausel enthalten, wonach Ansprüche wegen Sachmängeln in einem Jahr ab Ablieferung der Kaufsache verjähren. Das Fahrzeug, bei dem ein durch die Beklagte zu 2 hergestellter Dieselmotor der Baureihe EA 189 (Abgasnorm Euro 5) eingebaut ist, war zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs mit einer Software ausgestattet, die den Stickstoffausstoß auf dem Prüfstand (Modus 1) gegenüber dem normalen Fahrbetrieb (Modus 0) infolge einer höheren Abgasrückführungsrate reduziert. Am 22. September 2015 und damit vor Abschluss des Kaufvertrags hatte die Beklagte zu 2 eine Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht, die Informationen zu Unregelmäßigkeiten bei der Steuerungssoftware von Dieselmotoren des Typs EA 189 enthielt. Im September 2016 teilte die Beklagte zu 2 dem Kläger mit, dass das von ihm erworbene Fahrzeug von der Stickoxidproblematik betroffen sei, und forderte den Kläger auf, bei seinem Fahrzeug ein Software-Update zur Behebung der Problematik installieren zu lassen. Hinsichtlich dieses Software-Updates, das bewirkt, dass das Fahrzeug nur noch in einem adaptierten Modus 1 sowohl im Prüfstand als auch auf der Straße betrieben wird, hatte das Kraftfahrtbundesamt mit Schreiben an den Hersteller vom 20. Juni 2016 bestätigt, dass die vorgestellte Änderung der Applikationsdaten geeignet sei, die Vorschriftsmäßigkeit der betroffenen Fahrzeuge herzustellen. Der Kläger verweigerte zunächst die Mitwirkung an der Durchführung des Software-Updates, erklärte gegenüber dem Beklagten zu 1 mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 27. Juli 2017 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte den Beklagten zu 1 unter Fristsetzung auf, den Kaufvertrag rückabzuwickeln. Mit anwaltlichem Schreiben vom selben Tag informierte der Kläger die Beklagte zu 2 über den erklärten Rücktritt und forderte diese zum Schadensersatz in Form der Rückabwicklung des Kaufvertrags auf. Mit Schreiben vom 18. August 2017 bot der Beklagte zu 1 dem Kläger daraufhin an, die Durchführung der notwendigen Maßnahmen zur Installation des Software-Updates in Zusammenarbeit mit dem Hersteller zu übernehmen. Mit Schreiben vom 8. Januar 2018 teilte das Kraftfahrtbundesamt dem Kläger mit, dass in seinem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut sei, die zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs entfernt werden müsse. Dem Kläger wurde durch das Kraftfahrtbundesamt zur Vermeidung einer Untersagung des Betriebs des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen durch die Zulassungsbehörde empfohlen, an der Durchführung der Rückrufmaßnahme mitzuwirken und ...

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