Leitsatz (amtlich)
Die Voraussetzungen des Risikoausschlusses für "Unfälle der versicherten Person durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen" können als bewiesen erachtet werden, wenn das in Rede stehende Sturzereignis nach dem dargestellten Unfallablauf, den dokumentierten Angaben des Versicherungsnehmers gegenüber den erstbehandelnden Ärzten und der Art der Verletzungen nur als Folge eines unmittelbar zuvor erlittenen Ohnmachtsanfalles (= Synkope) eingetreten sein kann.
Normenkette
AUB 2008 § 4 Abs. 1a; VVG § 178; ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 26.10.2021; Aktenzeichen 14 O 60/20) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das am 26. Oktober 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 60/20 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für beide Instanzen wird - zugleich in Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung - auf 344.160,- Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der am 9. Januar 1956 geborene Kläger begehrt gegenüber der Beklagten die Feststellung ihrer Eintrittspflicht aus einer privaten Unfallversicherung. Zwischen den Parteien besteht ein Unfallversicherungsvertrag (Versicherungsschein-Nr. PU xxx) auf der Grundlage der A. (im Folgenden AUB, BI. 83 ff. GA). Laut Nachtrag zum Versicherungsschein vom 23. Dezember 2015 (Bl. 208 GA) beträgt die Invaliditätssumme ab diesem Tag 405.000,- Euro, ab einem Invaliditätsgrad von 70 Prozent wird eine lebenslange Monatsrente von 600,- Euro gezahlt. Der Kläger wurde am 5. September 2016 stationär in der Chirurgie des Klinikums Saarbrücken aufgenommen und dort bis zum 9. September 2016 behandelt; dabei erfolgten insgesamt acht chirurgische Interventionen bei infizierten Wundverhältnissen. Im Verlegungsbrief des Klinikums Saarbrücken vom 8. September 2016 heißt es zur Vorgeschichte u.a.: "Herr H. kam am 5. September 2016 mit dem RTW in unsere ZNA. Der Patient ist zu Hause synkopiert und bewusstlos auf einen Glastisch gestürzt. Anamnestisch gibt der Patient bereits weitere Stürze nach Synkope (vor 4 Tagen) an..." (u.a. Bl. 326 ff. GA). In einem weiteren Arztbericht vom 18. Oktober 2016 heißt es: "Der Patient ist zu Hause synkopiert und bewusstlos auf einen Glastisch gestürzt. Anamnestisch gibt der Patient bereits weitere Stürze nach Synkope in der Vorgeschichte an" (Bl. 14 ff. GA). Am 16. Dezember 2016 erfolgte die Verlegung des Klägers in die geriatrische Reha des Marienkrankenhauses in St. Wendel, wo er bis zum 5. Januar 2017 behandelt wurde. Der Hausarzt des Klägers Dr. med. xxx erstellte am 25. September 2017 ein ärztliches Attest über die Unfallfolgen. Dort heißt es: "Herr H. stürzte am 3. September 2016 zu Hause und zog sich dabei durch Sturz in ein Wasserglas eine offene Knieverletzung präpatellar links zu. Herr H. ist durch den schweren Krankheitsverlauf, ausgelöst von dem Sturz in das Wasserglas mit Schnittverletzung am Knie, heute gesundheitlich auf Dauer stark geschädigt und nicht mehr in der Lage seinen früheren Beruf als Zahnarzt auszuführen. Längeres Gehen oder Stehen ist ihm nicht mehr möglich, körperlich anstrengende Tätigkeiten sind auf das Minimum zu reduzieren" (Bl. 43 GA). Bereits am 15. September 2017 hatte der Kläger der Beklagten den Unfall über die Agentur D. angezeigt. Mit Schreiben vom 1. Februar 2019 lehnte die Beklagte ihre Eintrittspflicht ab, weil der Leistungsausschluss der "Bewusstseinsstörung" gemäß § 4 Abs. 1 Buchstabe a AUB erfüllt sei (Bl. 18 GA).
Der Kläger hatte seine Feststellungsklage zunächst am 11. Oktober 2019 beim Amtsgericht in Neunkirchen (Saar) eingereicht, das nach vorläufiger Festsetzung des Streitwertes den Rechtsstreit an das Landgericht Saarbrücken verwiesen hat. Er hat behauptet, er sei am 3. September 2016 in seinem Haus gestürzt. Als das Telefon geschellt habe, habe er zur Ladestation gehen wollen, beim Aufstehen von der Couch sei er auf dem darunter befindlichen Teppich gegen den Tisch gestoßen, auf welchem sich ein Wasserglas befunden habe, das vom Tisch herunter auf den Teppich gefallen sei, hierauf sei der Kläger mit voller Wucht zu Fall gekommen und habe eine Schnittwunde am linken Knie erlitten, danach sei er nicht mehr in der Lage gewesen, zu reagieren. Auch am Folgetag sei es ihm nicht gelungen, aus dieser Lage heraus an die Ladestation des Telefons zu gelangen, das auf einem Schrank in einer Höhe von etwa 1,2 bis 1,3 m gestanden habe. Bei dem Versuch, sich an einem Treppengeländer hochzuziehen, sei er auf der im Innenbereich gelegenen Treppe bis zu der darunter gelegenen Etage zu Fall gekommen. Wie er später von seinem Bruder erfahren ...