Leitsatz
1.Risikoausschlussklauseln sind nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Es bleibt kein Anlass, von diesen Grundsätzen bei der Auslegung von Risikoklauseln abzuweichen und etwa zur gesetzesgemäßen Auslegung zurückzukehren.
2.§ 4 I Nr. 6 b AHB schließt nur den unmittelbaren Sachschaden von der Leistungspflicht aus, nicht jedoch Folgeschäden, die in irgendeinem Zusammenhang damit stehen.
Normenkette
§ 4 I Nr. 6 b AHB
Sachverhalt
Die Kl. verlangte Ersatz von Nutzungsausfall aus gepfändeten und überwiesenen Versicherungsansprüchen der Schiffswerft O.GmbH von der Bekl. als deren Haftpflichtversicherer.
Am 17.10.1990 wurde ein Tankleichter der Kl. bei einer Explosion auf dem Werftgelände der O.GmbH schwer beschädigt, als ein Arbeiter im Zuge von Reparaturarbeiten an dem Schiff einen angezündeten Schweißbrenner in einen nach Gas riechenden Tank hinunterließ, um festzustellen, ob sich dort noch Gas befände. Die O.GmbH, die bald darauf in Vermögensverfall geriet, wurde rechtskräftig zum Schadenersatz verurteilt. Während der Sachschaden durch einen Kaskoversicherer ersetzt wurde, war der durch den Ausfall des Schiffs entstandene Schaden in Höhe von 258.888,55 DM nebst rückständiger und laufender Zinsen noch offen.
Dem Versicherungsvertrag zwischen der O.GmbH und der Bekl. lagen neben den AHB Besondere Vereinbarungen zur Spezialhaftpflichtversicherung (BV) zugrunde. Diese enthalten unter Nr. 2 "Deckungserweiterungen". Nach Nr. 2.9 BV sind abweichend von § 4 I Nr. 6 b AHB so genannte Bearbeitungsschäden bis 50.000 DM eingeschlossen.
Die Bekl. verweigerte die Leistung, weil ein nicht versicherter Bearbeitungsschaden i. S. v. § 4 I Nr. 6 b AHB vorliege. Dem Anspruch auf Zahlung von 50.000 DM nach Nr. 2.9 BV stehe der Gesichtspunkt der Doppelversicherung (§ 59 VVG) entgegen, weil der Sachschaden vom Kaskoversicherer reguliert worden sei.
Das LG hat der Klage nur in Höhe von 50.000 DM nebst Zinsen stattgegeben. Die Berufung der Kl. ist zurückgewiesen worden. Ihre Revision hatte Erfolg.
Entscheidung
1.Das Berufungsgericht (BG) hat angenommen, es liege ein Bearbeitungsschaden i. S. v. § 4 I Nr. 6 b AHB vor. Auf die vom LG verneinte Frage, ob der Entscheidung des BGH vom 21.9.1983 (VersR 88, 252) zu folgen sei, wonach diese Ausschlussklausel sich auf unmittelbare Sachschäden beschränke, komme es nicht an. Da der Leistungsausschluss nach § 4 I Nr. 6 b AHB durch Nr. 2.9 BV abbedungen sei, beurteile sich die Deckungspflicht für den Sachfolgeschaden nach dieser Bestimmung und der für Bearbeitungsschäden vereinbarten Leistungsbeschränkung auf 50.000 DM je Schadenereignis.
2.Diese Auslegung von Nr. 2.9 BV beanstande die Revision - so der BGH - zu Recht. Das BG habe die Reichweite des Risikoausschlusses nach § 4 I Nr. 6 b AHB nicht offen lassen dürfen. Der Zweck des Einschlusses von Bearbeitungsschäden in den Versicherungsschutz lasse sich sachgerecht nur erfassen, wenn der Umfang des Versicherungsschutzes ohne diese BV feststehe.
Der Umfang des Versicherungsschutzes werde für den vorliegenden Fall durch den Leistungsausschluss des § 4 I Nr. 6 b AHB bestimmt. Die Auslegung dieser Klausel sei umstritten. Der BGH habe entschieden, dass § 4 I Nr. 6 b AHB nur den unmittelbaren Sachschaden von der Leistungspflicht ausschließt, nicht jedoch die Folgeschäden (BGH Z 88, 228 231 = VersR 84, 252). An dieser Auslegung werde trotz der an ihr geübten Kritik festgehalten. Die Kritik gehe im Wesentlichen von einem überholten Maßstab für die Auslegung von AVB aus. Nach heute gefestigter Rechtsprechung und inzwischen allgemein anerkannter Auffassung seien AVB so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Zusammenhangs verstehen müsse. Dabei komme es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf sein Interesse an.
Das Interesse des VN führe bei Risikoausschlussklauseln in der Regel dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt werde, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebiete. Der durchschnittliche VN brauche nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutliche. Deshalb seien Risikoausschlussklauseln nach ständiger Rechtsprechung des Senats eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordere. Von diesen Grundsätzen bei der Auslegung von Risikoausschlussklauseln abzuweichen und etwa zur gesetzesgemäßen Auslegung zurückzukehren, bestehe kein Anlass. Der Wortlaut des § 4 I Nr. 6 b AHB spreche nur von Schäden an fremden Sachen. Folgeschäden, die in irgendeinem Zusammenhang damit ständen, würden nicht erwähnt. Daher werde ein durchschnittlicher VN, dem die juristische Unterscheidung zwischen unmittelbaren Sachschäden und damit zusammenhängend...