Leitsatz

Nach dem Tode ihrer Mutter, deren Alleinerbe der Ehemann der Verstorbenen und Vater der Kinder war, war für die minderjährigen Kinder eine Pflegschaft nach § 1909 BGB mit dem Wirkungskreis "Vertretung im Erbscheinsverfahren einschließlich der Überprüfung und ggf. Geltendmachung eventueller Pflichtteilsansprüche" angeordnet und die Beteiligte zur Ergänzungspflegerin ausgewählt und bestellt worden. Die minderjährigen Kinder als Betroffene ließen durch ihren Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde gegen den insoweit ergangenen Beschluss des AG einlegen mit dem Ziel der Aufhebung des Beschlusses, hilfsweise der Aufhebung der Bestellung der Beteiligten.

Die Beschwerde wurde vom LG als unzulässig verworfen, weil die Betroffenen zurzeit der Übergabe der angefochtenen Entscheidung an die Geschäftsstelle noch nicht das 14. Lebensjahr vollendet hatten. Gegen diesen Beschluss richtete sich die weitere Beschwerde der Betroffenen, gesetzlich vertreten durch ihren Vater. Die Beteiligte trat dem Rechtsmittel entgegen.

Das Rechtsmittel war - jedenfalls zunächst - erfolgreich.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Unabhängig davon, ob das VormG oder das FamG in der Sache zur Entscheidung berufen waren, sah das OLG seine Zuständigkeit zur Entscheidung über die weitere Beschwerde gegeben, da sich nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 GVG der Rechtsmittelzug nach der "formellen Anknüpfung" bestimme, also danach, welcher Spruchkörper tatsächlich tätig geworden sei.

§ 59 Abs. 3 FGG stehe der Zulässigkeit der weiteren Beschwerde schon deshalb nicht entgegen, weil nunmehr der Vater das Rechtsmittel als gesetzlicher Vertreter der Betroffenen nach § 1629 Abs. 1 BGB eingelegt habe. Durch einen möglichen Interessenwiderstreit sei er an der Vertretung der minderjährigen Kinder jedenfalls in einem nichtstreitigen Verfahren des FGG nicht gehindert (BayObLG NJWE-FER 2000, 177; Palandt/Diederichsen, BGB, 64. Aufl., § 1795 Rz. 15, m.w.N.).

Die angefochtene Entscheidung beruhe auf einer Verletzung des Rechts. Der Vater habe nunmehr die Prozessführung der Betroffenen genehmigt. Dadurch werde der Mangel ihrer Beschwerdebefugnis vor dem LG rückwirkend geheilt (Keidel/Zimmermann, FGG, 15. Aufl., § 13 Rz. 33). Danach sei die Erstbeschwerde als zulässig anzusehen. Das AG - VormG - habe eine familiengerichtliche Zuständigkeit verletzt. Diese Frage sei im vormundschaftsgerichtlichen Instanzenzug sowohl vom Beschwerdegericht als auch vom Gericht der weiteren Beschwerde von Amts wegen zu prüfen. Die Vorschriften der §§ 621e Abs. 4 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 3 FGG seien ihrem Regelungsgehalt nach nur anwendbar, wenn ein FamG entschieden habe. Eine entsprechende Anwendung auf vormundschaftsgerichtliche Verfahren komme nicht in Betracht.

Nach Auffassung des OLG ergibt sich aus § 1693 BGB in der seit dem 1.7.1998 geltenden Fassung, dass für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft wegen der rechtlichen Verhinderung der Eltern eine Vertretung ihrer minderjährigen Kinder nicht mehr das VormG, sondern das FamG zuständig ist, dass nach § 1697 BGB auch den Pfleger auswählen könne.

Das Kindschaftsreformgesetz habe mit § 1693 BGB eine von §§ 1915, 1774 BGB abweichende spezielle Regelung über die Anordnungskompetenz getroffen, um für die elterliche Sorge betreffende Verfahren eine einheitliche Zuständigkeit des FamG zu begründen. Dabei sei der eingefügte § 1697 BGB nicht als eine § 1693 BGB einschränkende Vorschrift zu verstehen, sie erweitere vielmehr die gegebene Anordnungskompetenz des FamG um eine vorher nicht gegebene Auswahlkompetenz zur Beschleunigung und Straffung des Verfahrens.

 

Link zur Entscheidung

Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 09.01.2006, 2 W 206/05

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