Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Erhöhung der Steuersätze in § 2 Abs. 2 Biersteuergesetz (BierStG) ab 1.1.2004
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Änderung der ermäßigten Steuersätze in § 2 Abs. 2 BierStG ab 1.1.2004 durch Art. 15 des Haushaltsbegeleitgesetzes (HBeglG) 2004 ist ohne Verstoß gegen den Parlamentsvorbehalts in verfassungskonformer Weise zustande gekommen; der Vermittlungsausschuss hat durch die Einbeziehung des „Koch-Steinbrück-Papiers” in seine Beratungen und einzelner Gegenstände in die Beschlussempfehlung vom 16.12.2003 seine durch das Grundgesetz gezogenen Grenzen nicht überschritten (Anschluss an FG Saarland v. 25.11.2008, 2 K 2284/04).
2. Auch wenn das HBeglG 2004 erst am 29.12.2003 ausgefertigt, am 31.12.2003 verkündet worden und bereits am 1.1.2004 in Kraft getreten ist, wurde eine kleinere Brauerei durch die in Art. 15 HBeglG beschlossene Biersteuererhöhung nicht in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt; zudem kann der Biersteuer insgesamt keine erdrosselnde Wirkung zukommen, weil sie im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten sehr niedrig ist. Sie hat sich seit 1950 in der Höhe nicht geändert und hat gegenwärtig, auf die Mengeneinheit bezogen, den Charakter einer Bagatellsteuer.
Normenkette
BierStG 2004 § 2 Abs. 2; HBeglG 2004 Art. 15; GG Art. 77 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Sätze 1, 5, Art. 76 Abs. 1, Art. 20 Abs. 2, Art. 38 Abs. 1 S. 2, Art. 42 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob die Erhöhung der Sätze in § 2 Abs. 2 Biersteuergesetz (BierStG) durch das Haushaltsbegleitgesetz (HBeglG) 2004 in verfassungsgemäßer oder verfassungswidriger Weise zustande gekommen ist.
Die Steuersätze nach § 2 Abs. 2 BierStG in der ab 1.1.2004 gültigen Fassung beruhen auf Art. 15 des HBeglG 2004: Die Bundesregierung hat am 13.8.2003 den Entwurf des HBeglG 2004 beschlossen und am 15.8.2003 dem Bundesrat als eilbedürftige Vorlage gemäß Art. 76 Abs. 2 Satz 4 GG und am 8.9.2003 dem Bundestag zugeleitet (BR-Drs 652/03, Bl. 57 ff. d.A.; BT-Drs. 15/1502, Bl. 122 ff. d.A.). Der Gesetzentwurf sei besonders eilbedürftig, weil die erfolgreiche Umsetzung des Haushaltsstabilisierungskonzepts 2004 ein zeitgleiches Inkrafttreten mit dem Bundeshaushalt 2004 zum 1. Januar 2004 erfordere. Der Gesetzentwurf enthält keine Bezugnahme auf das BierStG.
Die erste Lesung des HBeglG 2004 im Bundestag fand am 9.9.2003 statt; das Gesetz ist in die zuständigen Ausschüsse überwiesen worden. In der parlamentarischen Debatte wurde durch den Bundesfinanzminister Eichel und die Abgeordneten Dr. Rexrodt und Schöler … die Koch/Steinbrück-Arbeitsgruppe erwähnt (Plenarprotokoll 15/58). Am 12.9.2003 wurde das Gesetz in einer Sitzung des Haushaltsausschusses und am 24.9.2003 in einer Sitzung des Finanzausschusses des Bundestages behandelt.
In der Sitzung vom 26.9.2003 (Plenarprotokoll 791) hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme den Gesetzentwurf abgelehnt; die Bundesregierung hat hierzu eine Gegenäußerung vorgenommen und dem Bundestag am 1.10.2003 zugeleitet (BR-Drs 652/03; BT-Drs 15/1639, Bl. 158 ff. d.A.).
Am 30.9.2003 stellten die Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück das sogenannte „Koch-Steinbrück-Papier” im Haus des Bundesrates öffentlich vor. Darin ist im „Bereich I – Subventionsabbau” als Regelabbau eine Kürzung von Subventionen von 12 % grds. in 3 Jahren vorgesehen. Dort ist als laufende Nummer 27 die Mengenstaffel bei der Biersteuer genannt, deren Subventionswirkung durch „Anhebung der gestaffelten Steuersätze um 12 % in 3 Schritten” reduziert werden sollte („Koch-Steinbrück-Papier”, Anlage 9 zum Schriftsatz des Beklagten vom 12.8.2008, S. 21).
Am 8.10.2003 fand eine Anhörung im Haushaltsausschuss des Bundestages statt (Protokoll Nr. 15/27 des Haushaltsausschusses, Anlage 4 zum Schriftsatz des Beklagten vom 12.8.2008), am 15.10.2003 die abschließende Beratung des Finanzausschusses und des Haushaltsausschusses. Aus dem Bericht des Haushaltsausschusses vom 15.10.2003 (BT-Drs 15/1751, Bl. 208 ff. d.A.; Protokoll der 28. Sitzung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom 15.10.2003, Anlage 5 zum Schriftsatz des Beklagten vom 12.8.2008) ergibt sich, dass die Landesminister Dieckmann (NRW) und Riedel (Hessen) das „Koch-Steinbrück-Papier” dem Ausschussvorsitzenden formal mit der Bitte überreicht hätten, es per Umdruck allen Abgeordneten zur Kenntnis zu geben (BT-Drs 15/1751, S. 4). Die CDU/CSU Fraktion hat erklärt, die Kurzvorstellungen der Vorschläge der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück zum Subventionsabbau durch die beiden Landesminister stelle keine Einbringung in das Verfahren dar, zumal die beiden Landesminister auf die Frage, ob es sich dabei um eine Stellungnahme zu dem vorliegenden Gesetzentwurf handele, dieses ausdrücklich nicht bestätigt hätten (BT-Drs 15/1...