Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung von Grundbesitzwerten: Nachweislast des Steuerpflichtigen für einen niedrigeren gemeinen Wert des Grundbesitzes
Leitsatz (redaktionell)
1. Macht der Steuerpflichtige geltend, der gemeine Wert von Grundvermögen sei niedriger als der nach den §§ 182-196 BewG ermittelte typisierte Wert, muss er den Nachweis eines niedrigeren tatsächlichen Grundstückswerts regelmäßig durch ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Bausachverständigen oder eines Gutachterausschusses erbringen.
2. Der Steuerpflichtige trägt für den niedrigeren gemeinen Wert die Nachweislast und nicht nur eine Darlegungs- und Feststellungslast; der Nachweis ist erbracht, wenn einem Gutachten ohne Einschaltung bzw. Bestellung weiterer Sachverständiger gefolgt werden kann.
3. Das Finanzgericht verletzt durch die Nichteinholung eines Gutachtens zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts nicht seine Sachaufklärungspflicht. Der Steuerpflichtige selbst muss ein solches Gutachten einholen und vorlegen. Ihm obliegt die Nachweislast für einen niedrigeren gemeinen Wert einer wirtschaftlichen Einheit. Führt der Steuerpflichtige diesen Nachweis nicht, kann das Finanzgericht von der Wertfeststellung entsprechend den gesetzlichen Vorgaben ausgehen.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1-2; BewG § 138 Abs. 4, § 190 Abs. 4, §§ 195, 198 Sätze 1-2; BauGB § 199 Abs. 1, § 194
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe eines Grundbesitzwertes.
Mit Übertragungsvertrag vom … übereignete der Lebensgefährte der Klägerin dieser ein Umgebindehaus auf fremdem Grund und Boden, das beide bewohnten. Für die Kosten der Übertragung gaben beide den Wert des Gebäudeeigentums mit 4.000,– EUR an. Die Immobilie lag im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Das für die Besteuerung des Vorgangs zuständige Finanzamt gelangte zu der Überzeugung, dass eine Schenkung vorliege, und forderte vom Beklagten die Feststellung eines Grundbesitzwertes an. Der Beklagte führte eine Bewertung im Sachwertverfahren nach Maßgabe von § 190 des Bewertungsgesetzes (BewG) durch, wobei er hinsichtlich der Ausstattungsmerkmale des Gebäudes den Angaben der Klägerin in der Feststellungserklärung folgte. Zugleich legte er eine Alterswertminderung von 100 % zu Grunde und setzte sodann nach Maßgabe von § 190 Abs. 4 Satz 5 BewG den Mindestwert von 30 % des ermittelten Gebäudeherstellungswertes an. Die Frage nach einer bestehenden Abrissverpflichtung hatte die Klägerin verneint. Es ergab sich ein Feststellungswert von 58.359,– EUR.
Im Einspruchsverfahren trug die Klägerin einen ruinösen Bauzustand des Gebäudes vor, reichte Kopien von Fotos zur Akte und kündigte ein Gutachten an. Später teilte sie mit, sie sei aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage, die Kosten eines Gutachtens aufzubringen. Das Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg.
Die Klägerin wiederholt ihren Vortrag zum schlechten baulichen Zustand des Gebäudes und weist auf den in der Übertragungsurkunde angegebenen Wert von 4.000,– EUR hin. Dieser dürfte – so die Klägerin – die tatsächlichen Wertverhältnisse deutlich übersteigen. Zum Beweis beantrage sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Später hat die Klägerin mitgeteilt, das Gebäude habe mittlerweile einen Zustand des Verfalls erreicht. Sie beabsichtige, dieses zu verkaufen und rege an, die Begutachtung alsbald in Auftrag zu geben.
Die Klägerin beantragt wörtlich,
„den Bescheid der Beklagten über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes auf den … zum Zwecke der Schenkungssteuer zur Steuernummer vom … aufzuheben.”
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Wertfeststellung sei nach Maßgabe der einschlägigen Bewertungsvorschriften erfolgt. Einen niedrigeren Grundbesitzwert habe die Klägerin nicht nachgewiesen. Für einen niedrigeren gemeinen Wert trage die Klägerin die Nachweislast und nicht nur die Darlegungs- und Feststellungslast. Der Nachweis könne unter anderem durch ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken geführt werden. Die Klägerin habe aber kein Gutachten vorgelegt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie die zum Streitfall übergebenen Steuerakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Der vom Beklagten festgestellte Grundbesitzwert ist rechtmäßig zustande gekommen. Einen niedrigeren gemeinen Wert hat die Klägerin nicht nachgewiesen.
Nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1BewG sind Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn sie für die Erbschaftsteuer von Bedeutung sind. Wie sich mittelbar aus § 151 Abs. 1 Satz 2 BewG ergibt, ist die Frage, ob ein steuerbarer Tatbestand verwirklicht ist, nicht im Wertfeststellungsverfahr...