rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Volljähriges Kind in der verlängerten Wartezeit auf den Wunschstudienplatz an der Wunschuniversität nicht nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigungsfähig
Leitsatz (redaktionell)
1. Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegen zu wirken, kann ein volljähriges Kind nur dann nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigt werden, wenn sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert hat. Kann die gewünschte Ausbildung nur zu bestimmten Zeitpunkten begonnen werden, muss sich das Kind für den nächstmöglichen Ausbildungsbeginn bewerben.
2. Eine Einschränkung des Ausbildungswunsches in örtlicher Hinsicht ist mit den nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG erforderlichen Ausbildungsbemühungen nur bedingt vereinbar. Lässt sich ein Ausbildungswunsch des Kindes zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn in örtlicher Hinsicht nicht verwirklichen, so ist es dem Kind zumutbar, sich zunächst fachlich oder örtlich anderweitig zu orientieren. Das gilt insbesondere, wenn ein Studium an der gewünschten Hochschule vorerst nicht möglich ist, es aber weitere Hochschulen gibt, die diesen Studiengang zeitnah anbieten. Trifft das Kind bewusst die Entscheidung, sich weder fachlich an der Wunschhochschule anders zu orientieren, noch sich um das gewünschte Studium an einer anderen Hochschule zu bewerben, so ist es – jedenfalls vorübergehend – nicht ausbildungsplatzsuchend i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG.
3. Ob das Kind in der willentlich verlängerten Wartezeit auf den „Wunschstudienplatz” an der Wunschuniversität eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, mit der es seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann, sodass die Unterhaltsbelastung der Eltern vorübergehend entfällt, ist für die Prüfung des Vorliegens eines Berücksichtigungstatbestandes nach § 32 Abs. 4 S. 1 EStG unmaßgeblich.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c Einkommensteuergesetz – EStG – eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen oder fortsetzen kann, wenn es sich für den gewünschten Studiengang an seinen Wunsch-Hochschulen noch nicht bewerben kann, wohl aber bereits eine Bewerbung für diesen Studiengang an anderen Hochschulen möglich ist.
Die am 17.02.1989 geborene Tochter der Klägerin M. erwarb im Juli 2008 die allgemeine Hochschulreife. Mit Bescheid vom 14.08.2008 schloss die Zentralstelle für die Vergabe vom Studienplätzen – ZVS – ihren Zulassungsantrag zum Studium der Medizin vom Vergabeverfahren aus, weil die Kopie ihrer Hochschulzugangsberechtigung nicht ordnungsgemäß beglaubigt gewesen sei. Mit E-Mail vom 21.10.2008 erläuterte die ZVS nochmals die Gründe für ihre Entscheidung vom 14.08.2008 und empfahl M. eine erneute Bewerbung zum kommenden Sommersemester, die ab der nächsten Woche bis zum 30.11.2008 möglich sei. Dieser Empfehlung folgte M. nicht.
Am 02.10.2008 hatte M. eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in der internistischen Praxis ihres Vaters begonnen, wo sie bereits zuvor geringfügig beschäftigt war. Der Arbeitsnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag 2008 betrug 341,47 Euro. Gemäß Einkommensteuerbescheid 2008 erzielte M. nach Abzug des Arbeitnehmerpauschbetrages Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 5.448 Euro sowie nach Abzug des Werbungskostenpauschbetrages und des Sparerfreibetrages Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. 2.282 Euro, insgesamt Einkünfte i.H.v. 7.866 Euro.
Mit Ablehnungsbescheid vom 14.08.2009 lehnte die ZVS die Bewerbung des Kindes M. um einen Studienplatz im Fach Medizin zum Wintersemester 2009/2010 ab, für das die Bewerbungsfrist bis Mai 2009 lief. Zudem lehnte die ZVS mit Bescheid vom 23.09.2009 die Bewerbungen M.s für ein Studium der Medizin zum Wintersemester 2009/2010 im Auswahlverfahren der Hochschulen namens und im Auftrag der Universitäten J. und L. ab. Mit Bescheid der ZVS vom 05.03.2010 erhielt M. zum Sommersemester 2010 einen Studienplatz im Fach Medizin an der Universität E.-Nr., wo sie seit dem 01.04.2010 immatrikuliert ist.
Mit Bescheiden vom 10.12.2009 hatte der Beklagte das Kindergeld für M. für Januar 2008 bis April 2009 einschließlich des Einmalbetrages 2009 aufgehoben und das insoweit bereits ausgezahlte Kindergeld i.H.v. 2.604 Euro zurückgefordert. Dagegen hatte die Klägerin am 18.12.2009 Einspruch eingelegt. Mit Teilabhilfebescheid vom 09.04.2010 setzte der Beklagte für M. Kindergeld für Januar bis Oktober 2008 fest und reduzierte den Erstattungsbetrag um 1.540 Euro. Mit Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2010 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin im Übrigen als unbegründet zurück. Für die nach der Teilabhilfe noch streitgegenständlichen Monate November 2008 bis April 2009 sei M. nicht zu berücksichtigen. Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG ...