Entscheidungsstichwort (Thema)
Weiter Kindergeldanspruch für volljähriges arbeitssuchendes Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG bei Anzeige einer geringfügigen Beschäftigung mit einer Monatsarbeitszeit von 66 Stunden
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach der ab 1.1.2003 anzuwendenden Fassung von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG braucht ein volljähriges Kind nicht mehr arbeitslos i. S. d. SGB III zu sein, es genügt vielmehr, dass das noch nicht 21 Jahre alte Kind nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Arbeitsagentur im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist.
2. Hat sich der volljährige Sohn bei der Arbeitsagentur als arbeitssuchend gemeldet, deren Vermittlung in Anspruch genommen und pflichtgemäß nach § 38 Abs. 1a SGB III die Aufnahme eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses mitgeteilt, ist er auch dann weiter nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG berücksichtigungsfähig, wenn die zuständige Arbeitsvermittlerin der Agentur für Arbeit irrtümlicherweise von einer Abmeldung als Arbeitssuchender ausgegangen und deswegen die formale Registrierung des Sohnes als arbeitssuchendes Kind irrigerweise aufgehoben worden ist.
3. Eine geringfügige Beschäftigung des Kindes mit einer Monatsarbeitszeit von 66 Stunden schließt den Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht aus.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 2; SGB III § 35 Abs. 1-2, § 38 Abs. 2, 4, § 119 Abs. 3 S. 1
Tenor
Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 09.04.2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 05.05.2008 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.05.2008 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin für ihren am 26.05.1987 geborenen Sohn Rö. Anspruch auf Kindergeld für März 2008 hat.
Am 18.02.2008 rief die Arbeitsvermittlerin L. den von ihr bei der Arbeitsagentur betreuten Sohn der Klägerin an. In dem Telefongespräch teilte er ihr mit, dass er eine Beschäftigung auf 400 Euro-Basis gefunden habe und dass diese mehr als 15 Wochenstunden umfasse. Den genauen Beschäftigungsbeginn sollte er nachreichen. Nachdem dies nicht geschah, rief L. den Sohn der Klägerin erneut an, worauf hin ihr der 04.02.2008 als Datum des Beschäftigungsbeginns genannt wurde. Daraufhin meldete sie ihn rückwirkend als Arbeitssuchenden ab. Erst am 16.04.2008 meldete sich Rö. telefonisch im Servicecenter der Arbeitsagentur erneut arbeitssuchend. Daraufhin wurde er von L. am 02.05.2008 erneut telefonisch kontaktiert. Er erläuterte, dass die Abmeldung zum 04.02.2008 nur eine Abmeldung in einem Minijob gewesen sei und es jetzt um die Rückzahlung von Kindergeld gehe. Das Beschäftigungsverhältnis des Sohnes der Klägerin bestand bei der Fa. Rl. und belief sich auf höchstens 66 Stunden monatlich, die sich je nach Bedarf auf den Monat verteilten.
Mit Bescheid vom 09.04.2008 hob die Beklagte das Kindergeld für Rö. ab März 2008 auf und forderte den für den Monat März 2008 bereits ausgezahlten Betrag in Höhe von 154 Euro zurück. Rö. werde nicht mehr als arbeitssuchendes Kind geführt. Auf den dagegen eingelegten Einspruch der Klägerin vom 13.04.2008 änderte die Beklagte mit Bescheid vom 05.05.2008 den angefochtenen Verwaltungsakt dahingehend, dass ab April 2008 wieder Kindergeld festgesetzt wurde. Im Übrigen wies die Beklagte den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 06.05.2008 als unbegründet zurück.
Am 21.05.2008 hat die Klägerin Klage erhoben.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 09.04.2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 05.05.2008 und in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.05.2008 dahingehend zu ändern, dass auch für März 2008 Kindergeld bewilligt bleibt.
Die Beklagte beantragt:
Klageabweisung.
Entscheidend sei, ob das Kind bei der Arbeitsvermittlung vorstellig geworden sei und um Vermittlung ersucht habe. Der Sohn der Klägerin habe sich durch falsche Angaben der Vermittlungstätigkeit aktiv entzogen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Der geänderte Verwaltungsakt in Gestalt der Einspruchsentscheidung (§ 44 Abs. 2 FGO) ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO).
Die Klägerin hat Anspruch auf Kindergeld für Rö. im Streitmonat März 2008.
Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, beim Kindergeld berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, (1.) bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist und (2.) nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht.
Die Vorschrift wurde durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (s. Art. 8 Nr. 5 des Gesetzes, ...