Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsverhältnis. Referendar. Rechtsanwaltskanzlei. Arbeitnehmerbegriff
Leitsatz (redaktionell)
Durch die Übergabe von drei Handakten zur juristischen Begutachtung entsteht kein Arbeitsverhältnis zwischen einem Rechtsreferendar und einer Rechtsanwaltskanzlei.
Normenkette
ArbGG § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Leipzig (Beschluss vom 05.05.2004; Aktenzeichen 17 Ca 581/04) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Leipzig vom 05.05.2004 – 17 Ca 581/04 –
2. Der Rechtsweg zu dem Arbeitsgericht Leipzig ist unzulässig.
3. Der Rechtsweg zu dem Amtsgericht Leipzig ist zulässig.
4. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
5. Der Beschwerdewert wird auf 130,33 Euro festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten.
Der Kläger bewarb sich bei der Beklagten sowohl um die Absolvierung der Anwaltsstation im Rahmen seines Referendariats als auch um eine juristische Tätigkeit zusätzlich zum Referendariat und stellte sich deswegen am 23.07.2003 bei dem Geschäftsführer der Beklagten Herrn Rechtsanwalt … vor.
Am 29.07.2003 übergab der Geschäftsführer dem Kläger drei Handakten zur Fertigung einer Stellungnahme (Sachverhaltszusammenfassung und rechtliche Würdigung). Der Kläger reichte die drei Handakten nebst der von ihm gefertigten Stellungnahmen am 21.08.2003 zurück. Der Inhalt der am 23. und 29.07.2003 geführten Gespräche ist zwischen den Parteien strittig.
Der Kläger begehrt mit dem Hinweis auf eine Vereinbarung einer vergütungspflichtigen juristischen Nebentätigkeit Vergütung für die Fertigung der Stellungnahmen.
Nachdem die Beklagte den beschrittenen Rechtsweg gerügt hatte, erklärte das Arbeitsgericht Leipzig mit Beschluss vom 05.05.2004 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig. Bezüglich des Inhalts dieses Beschlusses wird auf Bl. 59 bis 61 d. A. verwiesen.
Gegen diesen der Beklagten am 12.05.2004 zugestellten Beschluss ließ diese mit Schriftsatz vom 13.05.2004, beim Arbeitsgericht Leipzig eingegangen am selben Tag, sofortige Beschwerde einlegen. Bezüglich deren Begründung wird auf Bl. 75 bis 80 d. A. verwiesen.
Gemäß Beschluss vom 19.05.2004 hat das Arbeitsgericht Leipzig der sofortigen Beschwerde der Beklagten nicht abgeholfen und sie dem Sächsischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Der Kläger ist der sofortigen Beschwerde der Beklagten mit Schriftsatz vom 28.06.2004, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 102 bis 105 d. A.), entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II.
1.
Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist statthaft (§§ 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG, 48 Abs. 1, 78 Abs. 1 ArbGG). Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1 und 2 ZPO).
2.
Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.
Vorliegend ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht gegeben. Vielmehr ist die ordentliche Gerichtsbarkeit – hier das Amtsgericht Leipzig – für die vorliegende Klage zuständig. Die Beschwerdekammer folgt insoweit nicht der Auffassung des Arbeitsgerichts, dass für den vorliegenden Fall der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten – hier zum Arbeitsgericht Leipzig – gegeben sei.
Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung rechtfertigen eine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage.
a) Der verfahrensrechtliche Begriff des Arbeitnehmers ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Nach dieser Vorschrift ist Arbeitnehmer, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages zur Arbeit im Dienst eines anderen verpflichtet ist. Maßgeblich ist die persönliche Abhängigkeit. In Grenzfällen wird die Arbeitnehmereigenschaft mit einer Vielzahl von Einzelkriterien bestimmt. Die Rechtsprechung unterscheidet Arbeits- und freie Mitarbeiterverträge danach, ob derjenige, der die Dienste erbringt, von seinem Vertragspartner persönlich abhängig ist oder nicht.
Die persönliche Abhängigkeit ist anzunehmen, wenn statt der freien Tätigkeitsbestimmung die Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation vorliegt, die sich im Weisungsrecht des Arbeitgebers bezüglich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit zeigt (BAG, 30.11.1994 – 5 AZE 704/93 – AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 84). Der Weisungsumfang kann dabei unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Nicht sämtliche Kriterien müssen zur Annahme der Arbeitnehmereigenschaft vorliegen; vielmehr ist das Gesamtbild im Einzelfall maßgeblich (vgl. BAG, 29.01.1992, BetrVG 1972 § 5 Nr. 47).
Der Rechtsbegriff des Arbeitnehmers ist weder vertrags- noch tarifpositiv. Eine fehlerhafte Vertragstypenzuordnung ist stets durch die Rechtsprechung zu korrigieren. So kann ein Vertrag, der konstitutive Elemente eines Arbeitsvertrages hat, nicht durch schlichte Bezeichnung als „freier Mitarbeitervertrag” zum freien Dienstvertrag werden. Die anwendbaren Rechtsregeln sind objektiv zugeordnet. Geben die Parteien dem geschlossenen Arbeitsvertrag also eine andere Rechtsform, hat dies für das anzu...