Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidung über die Aufhebung der Prozesskostenhilfe wegen Verstoßes gegen Mitteilungspflichten
Leitsatz (amtlich)
Die Aufhebung der Prozesskostenhilfe hat Sanktionscharakter und ist nach dem Willen des Gesetzgebers für den Regelfall die angemessene Sanktion für einen Verstoß gegen die Mitteilungspflichten. Die Mitteilung muss unverzüglich erfolgen.
Bei unterlassener Mitteilung ist entgegen der Ansicht anderer LAG's (vgl. LAG Baden-Württemberg vom 05.03.15 - 17 Ta 2/15 zitiert in juris; LAG Baden-Württemberg vom 10.06.15 - 4 Ta 8/15 zitiert in juris; LAG Schleswig-Holstein vom 02.09.15 - 5 Ta 147/15 zitiert in juris; LAG Berlin-Brandenburg vom 20.04.15 - 19 Ta 519/15 zitiert in juris) nicht Voraussetzung, dass dies absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit erfolgte. Das Ausmaß eines eventuellen Verschuldens ist bei der Frage zu prüfen, ob ein atypischer Fall vorliegt und fließt in eine u. U. zu treffende Ermessensentscheidung ein (vgl. so auch LAG München vom 25.02.15 - 10 Ta 51/15, dem sich die Beschwerdekammer hier in vollem Umfang anschließt).
Ob ein atypischer Fall vorliegt, der den Weg zu einer Ermessensentscheidung eröffnet, ist nicht Teil der Ermessensentscheidung, sondern dieser vorgelagert (vgl. LAG München a. a. O.).
Normenkette
ZPO § 124 Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
ArbG Bautzen (Entscheidung vom 10.06.2015; Aktenzeichen 7 Ca 7187/14) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den die Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Arbeitsgerichts Bautzen vom 10.06.2015 - 7 Ca 7187/14 - wird
z u r ü c k g e w i e s e n .
2. Die Rechtsbeschwerde wird für die Klägerin zugelassen.
Gründe
I.
Die sofortige Beschwerde richtet sich gegen die Aufhebung von Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO in der ab 01.01.2014 geltenden Fassung wegen unterbliebener Mitteilung der Anschriftenänderung der Klägerin.
Der Klägerin wurde mit Beschluss des Arbeitsgerichts vom 06.02.2015 Prozesskostenhilfe zur Durchführung einer Klage auf Lohnzahlung und Urlaubsabgeltung bewilligt. Ihr wurde Rechtsanwalt ... als Prozessbevollmächtigter beigeordnet. Eine Ratenzahlungsanordnung erfolgte nicht.
Im Überprüfungsverfahren wurde die Klägerin aufgefordert, sich zu ihren derzeitigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu erklären.
Dieses Schreiben konnte der Klägerin nicht "zugestellt" werden. Ein Schreiben des Gerichts an die Klägerin betreffend ihrer Streitwertanhörung kam mit dem Vermerk "Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" zurück.
Das Arbeitsgericht ermittelte sodann über ein Auskunftsersuchen beim Einwohnermeldeamt ..., dass die Klägerin seit 01.01.2015 wohnhaft in der ...Straße ..., ... sei.
Daraufhin wurde die Klägerin mit Schreiben vom 29.04.2015 zu einer beabsichtigten Aufhebung der Prozesskostenhilfe-Bewilligung wegen unterlassener Mitteilung der Anschriftenänderung angehört.
Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 05.05.2015 mit, dass sie diese Mitteilungspflicht nicht aus böser Absicht versäumt habe. Der Prozesskostenhilfeantrag sei ihr nicht mehr vorgelegen, da sie ihn bei Gericht abgegeben habe.
Mit Beschluss vom 10.06.2015 hob das Arbeitsgericht die Prozesskostenhilfe-Bewilligung nach § 124 Ziffer 4 ZPO wieder auf. Der Beschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 07.06.2015 zugestellt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende sofortige Beschwerde der Klägerin vom 13.06.2015, beim Arbeitsgericht Bautzen eingegangen am 18.06.2015.
Die Klägerin trägt vor, dass sie zwar die neue Adresse nicht sofort mitgeteilt habe, jedoch sei dies weder absichtlich noch grob fahrlässig erfolgt. Es handele sich hierbei um eine einfache Fahrlässigkeit, sie habe ihre Sorgfalt in keinem ungewöhnlich hohen Maße verletzt und hier auch keine naheliegende Überlegung beiseite geschoben.
Sie hätte dem Gericht ihre Adressenänderung sofort mit der Veränderung über ihr monatliches Einkommen zusammen mitgeteilt, weil sie dem Gericht ein lediglich mehrfaches Heraussuchen ihrer Akte, Arbeit und Zeit habe ersparen und zugunsten des Arbeitsgerichts habe handeln wollen.
Das Arbeitsgericht half mit Beschluss vom 29.06.2015 der sofortigen Beschwerde der Klägerin nicht ab und legte sie dem Sächsischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige sowie form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist nicht begründet, denn das Arbeitsgericht hat die Bewilligung der Prozesskostenhilfe zu Recht aufgehoben. Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO n. F. liegen vor, da die Beschwerdeführerin die Mitteilung einer Adressänderung unterlassen hat.
1. Die zum 01.01.2014 erfolgte Neuregelung des § 124 ZPO ist anwendbar.
Denn nach § 40 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilp...