Verfahrensgang

KreisG Görlitz (Beschluss vom 13.12.1991; Aktenzeichen 9 III BV 14/91)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des KG Görlitz vom 13.12.91 – 9 III BV 14/91 – wird

zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller „A. e. G. B.-O. …” ist seit 1.1.92 der alleinige Rechtsnachfolger der Kooperativen Einrichtung (KE) Jungrinderproduktion „Z. V.” O., einer juristischen Person nach dem Recht der ehemaligen DDR. Die KE „Z. V.” war eine gemeinsame Einrichtung mehrerer Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften (LPG) zur speziellen Züchtigung trächtiger Jungtiere. Neben materiellen und finanziellen Mitteln hatten die einzelnen LPGs der KE auch Genossenschaftsbauern zur Verfügung zu stellen. Hierzu bedurfte es einer schriftlichen Delegierungsvereinbarung zwischen dem Vorstand der LPG, den Genossenschaftsbauern und dem Leiter der KE. Die Genossenschaftsbauern blieben aber weiterhin Mitglied in ihrer LPG. Neben den Genossenschaftsbauern waren auch Arbeitnehmer mit Arbeitsverträgen für die KE tätig. Diese Arbeitnehmer traten jedoch bis 1984 ausnahmslos einer LPG bei, die zu den Trägerunternehmen der KE gehörte. Dadurch wurden sie ebenfalls Genossenschaftsbauern. Ihre Arbeitsverträge wurden durch Delegierungsvereinbarungen mit ihrer LPG abgelöst, so daß sie nunmehr als Genossenschaftsbauern ihrer jeweiligen LPG in der KE tätig waren.

Eine Belegschaftsversammlung, der alle Mitglieder der KE angehörten, beschloß Mitte 1990, einen Betriebsrat zu bilden. Daraufhin wurde am 16. Juli 1990 ein Betriebsrat gewählt.

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, daß Mitglieder einer LPG keine Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG seien und daher keinen Betriebsrat wählen könnten. Er hat beantragt,

die Nichtigkeit der Betriebsratswahl festzustellen.

Der Antragsgegner (Betriebsrat) hat beantragt,

den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.

Der Antragsgegner hat ausgeführt, auch LPG-Mitglieder seien Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG. Bei der Ausübung ihrer Tätigkeit seien sie einem umfassenden Weisungsrecht der KE unterworfen gewesen. Die KE habe den Ort bestimmt, an dem sie ihre Leistungen zu erbringen gehabt hätten. Sie seien hierbei an feste Arbeitszeiten gemäß Arbeitszeitplänen gebunden gewesen. Die KE habe die Arbeitsgeräte zur Verfügung gestellt. Personalunterlagen geführt sowie Vergütung. Urlaub und Unterstützung bei Krankheit gewährt. Durch die Delegierung sei ein selbständiges Arbeitsverhältnis mit der KE begründet worden.

Das Kreisgericht hat dem Antrag des Antragstellers entsprochen und die Betriebsratswahl vom 16.7.90 für nichtig erklärt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Mitglieder einer LPG hätten in einem Mitgliedsschaftsverhältnis für Genossenschaften gestanden und hätten kein Arbeitsverhältnis mit der KE begründet.

Mit seiner Beschwerde beantragt der Antragsgegner, den Beschluß des KG aufzuheben und den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt Aufrechterhaltung des Beschlusses des Kreisgerichts.

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist unbegründet. Das Kreisgericht hat zutreffend festgestellt, daß die Betriebsratswahl vom 16.7.90 nichtig ist. Denn in der KE waren keine Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG beschäftigt. Die dort beschäftigten Genossenschaftsbauern waren keine Arbeitnehmer. Wegen fehlender Arbeitnehmer war die KE nicht betriebsratsfähig (vgl. § 1 BetrVG). Betriebsratswahlen in einem nicht betriebsratsfähigen Betrieb sind wegen eines groben und offensichtlichen Verstoßes gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechts nichtig (GK-Kreutz, BetrVG, 4. Aufl. 1987, § 19 Rz. 137).

Den Genossenschaftsbauern der KE fehlte die für ein Arbeitsverhältnis im Sinne des BetrVG typische Weisungsgebundenheit. Das BetrVG definiert den Begriff des Arbeitnehmers nicht, sondern setzt ihn voraus, wenn es in § 5 Abs. 1 BetrVG bestimmt, daß Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten sind. Denn auch die Begriffe des Arbeiters und des Angestellten setzen ihrerseits die Arbeitnehmereigenschaft der betreffenden Person voraus. Daraus ist zu schließen, daß das BetrVG von dem allgemeinen Begriff des Arbeitnehmers ausgeht. Arbeitnehmer ist danach jeder, der auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags oder eines ihm gleichgestellten Rechtsverhältnisses in der Regel persönlich zur Leistung von Diensten für einen anderen in dessen Betrieb und nach dessen Weisung verpflichtet ist (GK-Kraft AO, § 5 Rz. 9 mit weiteren Nachweisen). Die Weisungsgebundenheit kann auch umschrieben werden als Pflicht, „fremdbestimmte” Arbeit zu leisten (GK-Kraft AO, § 5 Rz. 28). Daran fehlt es vorliegend. Denn die Genossenschaftsbauern waren in der KE in die Leitung und Führung der Einrichtung eingebunden. Daher kann trotz der im übrigen bestehenden Weisungsgebundenheit nicht mehr von einer fremdbestimmten Arbeit die Rede sein. Insoweit gilt ähnliches wie bei einem GmbH-Geschäftsführer, bei dem trotz erheblicher Weisungsgebu...

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