Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifbindung bei Arbeitsvertragsschluss. Nachwirkung bereits vor Arbeitsbeginn
Leitsatz (redaktionell)
Ein Tarifvertrag gilt auch dann im Falle beiderseitiger Tarifbindung nach § 4 Abs. 5 TVG, wenn er zwischen Arbeitsvertragsschluss und tatsächlichem Arbeitsbeginn gekündigt wurde.
Normenkette
TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Dresden (Urteil vom 08.12.2004; Aktenzeichen 1 Ca 3893/04) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 08.12.2004 – 1 Ca 3893/04 –
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.732,66 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.12.2003 zu zahlen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die tarifliche Sonderzuwendung in Höhe von 1.732,66 EUR brutto für das Jahr 2003.
Die am …1975 geborene Klägerin absolvierte in der Zeit vom 09.08.2001 bis 11.07.2003 ihre Ausbildung als Wirtschaftspädagogin bei dem Beklagten auf der Grundlage des Ausbildungsvertrages vom 09.08.2001 (Anlage BB 1, Bl. 144 d. A.). Sie erwarb am 11.07.2003 die Lehrbefähigung für die Laufbahn des höheren Schuldienstes an berufsbildenden Schulen.
Die Parteien schlossen am 16.06.2003 einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit Beginn der Tätigkeit als vollbeschäftigte Lehrkraft ab dem 01.08.2003. Der Arbeitsvertrag hat u. a. nachfolgende Regelungen:
„…
§ 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich für die Dauer der Mitgliedschaft des Freistaates Sachsen in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der TdL jeweils geltenden Fassung. Bei einem Austritt des Freistaates Sachsen aus der TdL gelten diese Tarifverträge bis zu ihrer Beendigung oder bis zum Abschluss eines anderen Tarifvertrages statisch weiter. Außerdem finden die von dem Freistaat Sachsen abgeschlossenen sonstigen einschlägigen Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung.
…
§ 8
Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrages einschließlich von Nebenabreden sowie Vereinbarungen weiterer Nebenabreden sind nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden.
…”
Der Beklagte ist Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (im Folgenden: TdL).
Die TdL kündigte den Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom 10.12.1990 (im Folgenden: TV Zuwendung Ang-O) mit Schreiben vom 25.06. 2003 zum 20.06.2003. Mit Schreiben vom 22.07.2003 wurde die Klägerin vom Regionalschulamt … aufgefordert, einen neuen Arbeitsvertrag zu unterzeichnen. In § 2 des ihr übersandten Entwurfs des Arbeitsvertrages wird die Anwendung des Tarifvertrages über eine Zuwendung für Angestellte sowie des Tarifvertrages über ein Urlaubsgeld für Angestellte ausgeschlossen.
Die Klägerin lehnte die Änderung des Arbeitsvertrages ab.
Die Klägerin nahm ihre Tätigkeit ab 01.08.2003 am beruflichen Schulzentrum für Wirtschaft I in … auf. Ihre Vergütung richtet sich nach der Vergütungsgruppe II a BAT-O.
Die maßgebliche Vergütung der Klägerin für September 2003 beträgt 2.757,25 EUR brutto.
Die Klägerin wiederholte im Schreiben vom 17.09.2003 ihre Auffassung, dass ihr nach dem Arbeitsvertrag vom 16.06.2003 ein Anspruch aufgrund des Tarifvertrages über eine Zuwendung für Angestellte (Ost) zusteht.
Mit Schreiben vom 30.09.2003 lehnte der Beklagte die Forderung der Klägerin ab.
Die Klägerin erhielt für 2003 keine Sonderzuwendung.
Mit der Klage vom 23.07.2004 hat die Klägerin ihren Anspruch auf Sonderzuwendung für 2003 weiter verfolgt. Sie hat vorgetragen, dass ihr Anspruch auf dem Arbeitsvertrag vom 16.06.2003 beruht. Es sei auf die Vertragsunterzeichnung und die Rechtsverhältnisse zu diesem Zeitpunkt abzustellen. Am 16.06.2003 habe der TV Zuwendung Ang-O gegolten. Der Tarifvertrag sei mit Begründung des Arbeitsverhältnisses Gegenstand desselben geworden. Außerdem habe sie eine individuelle Zusage erhalten.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, 1.732,66 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.12.2003 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat entgegnet, dass kein tariflicher oder einzelvertraglicher Anspruch auf Sonderzuwendung für 2003 besteht. Das Arbeitsverhältnis sei erst nach Kündigung des Tarifvertrages begründet worden, also im Nachwirkungszeitraum.
Der Beginn der Aufnahme der Tätigkeit sei für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses maßgebend und nicht die Vertragsunterzeichnung. Weiterhin sei keine individuelle Zusage durch Herrn … gegenüber der Klägerin gegeben worden.
Das Arbeitsgericht Dresden hat mit Urteil vom 08.12.2004 die Klage auf Kosten der Klägerin abgewiesen und den Streitwert auf 1.732,66 EUR fe...