Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Geltung des BRTV für handwerklich geprägte klassische Stuckarbeiten. Keine tarifliche Zuordnung von maschinell gefertigten Stuckarbeiten auf Styropor- und Acrylatbasis
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Herstellung von Stuckarbeiten als plastische Ausformung von Mörteln aller Art auf verputzten Wänden, Gewölben und Decken aller Art fällt nicht in den Tarifbereich des Baugewerbes. Stuckarbeiten können sowohl auf der Baustelle als auch in einer Werkstatt ausgeführt und vom Betrieb verarbeitet werden. Es gibt eine spezielle Ausbildung zum Stuckateur, das Stuckateurhandwerk wird in die Handwerkerrolle bei der Handwerkskammer eingetragen. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 34 BRTV erfasst dieses Handwerk nicht.
2. Ob die Herstellung von Stuckelementen auf Styroporbasis mit einem Überzug aus Acrylat als baugewerbliche Tätigkeit einzustufen ist, ist zweifelhaft, da es sich um eine maschinell-industrielle Fertigung ohne typisches handwerkliches Geschick handelt. Zudem umfasst diese Art von "Stuckarbeit" im zu entscheidenden Fall weniger als 50 % der Arbeitszeit des Handwerksbetriebs. Eine tarifliche Zuordnung zum BRTV ist nicht erkennbar.
Normenkette
BRTV § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 34, §§ 2, 8; TV Mindestlohn für das Baugewerbe § 2 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Leipzig (Entscheidung vom 16.04.2015; Aktenzeichen 3 Ca 4160/14) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 16.04.2015 - 3 Ca 4160/14 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen einer Leistungsklage darüber, ob es sich bei dem Betrieb des Beklagten um einen Betrieb des Baugewerbes handelt.
Der Kläger verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Stuckateur. Auf der Grundlage eines schriftlichen Anstellungsvertrages vom 03.09.2012 (Anlage zur Klageschrift vom 12.12.2014; Bl. 3 ff. d. A.) war er in der Zeit vom 03.09.2012 bis 15.12.2014 als Stuckateur in Vollzeit beim Beklagten angestellt. Arbeitsvertraglich vereinbarten die Parteien einen Stundenlohn in Höhe von 8,50 € brutto fällig jeweils zum 10. des Folgemonats.
Der Beklagte ist mit dem Stuckateurhandwerk in die Handwerkerrolle bei der Handwerkskammer ... eingetragen (vgl. Anlage B 1 zum Schriftsatz des Beklagten vom 11.03.2015; Bl. 42/43 d. A.). Mit Bescheid vom 08.09.2009 (Anlage B 2 zum Schriftsatz des Beklagten vom 11.03.2015; Bl. 44 d. A.) stellte die Bundesagentur für Arbeit fest, dass im Betrieb des Beklagten überwiegend baufremde Tätigkeiten ausgeführt würden und dass er deshalb nicht verpflichtet sei, die Winterbeschäftigungsumlage abzuführen. Im Streitzeitraum beschäftigte der Beklagte neben dem Kläger zwei weitere Arbeitnehmer in Vollzeit überwiegend auf Baustellen. Diese erbrachten dort Stuck-, Putz-, Gips-und Rabitzarbeiten. Daneben beschäftigte der Beklagte in seiner Werkstatt, in der er selbst mitarbeitete, drei Arbeitnehmer in Vollzeit und zwei in Teilzeit.
In der Werkstatt des Beklagten werden "Stuckelemente" für den Verkauf und für den Einbau auf Baustellen hergestellt. 10 % der verkauften Elemente sind "klassische" Stuckelemente, die auf Käuferwunsch aus Gips und Zement hergestellt werden. 20 % der Elemente werden zugekauft. Die restlichen 70 % werden wie folgt hergestellt: Am Computer wird auf Kundenwunsch eine Form des Elements entwickelt. Die entsprechenden Daten werden per USB-Stick in eine NC-Maschine eingegeben. Die Maschine schneidet mit Hilfe eines heißen Drahtes aus Styropor die entsprechenden Profile. Diese werden in der Folge von den in der Werkstatt beschäftigten Arbeitnehmern mit flexiblen Dichtschlämmen bestrichen. Auf die noch feuchte Oberfläche wird mittels Sieb oder Druckluft Quarzsand aufgetragen. Nach dem Trockenen wird das Profil mit einem Acrylat bestrichen, welches die Saugfähigkeit des Profils vermindert. Auf Kundenwunsch kann zusätzlich noch ein weiteres Zweikomponentenacrylat aufgebracht werden, welches die Oberfläche härtet. Das Beschichtungsverfahren ist zertifiziert und durch ein Gebrauchsmuster geschützt.
Im Jahr 2014 gewährte der Beklagte dem Kläger Urlaub im Umfang von 24 Arbeitstagen. Arbeits-, Urlaubs-, Feier-und Kranktage des Klägers vergütete der Beklagte mit dem arbeitsvertraglichen Stundenlohn von 8,50 € brutto (vgl. zu den Einzelheiten die Verdienstabrechnungen in Anlage zur Klageschrift vom 12.12.2014 und zum Schriftsatz des Klägers vom 13.04.2015; Bl. 11 bis 14 und 61 d. A.). Mit Schreiben vom 05.12.2014 (Anlage zur Klageschrift vom 12.12.2014; Bl. 6 d. A.) machte der Kläger Differenzlohnansprüche für die Zeit ab dem 01.07.2014 in Gesamthöhe von 1.712,00 € brutto auf Basis des tariflichen Mindestlohnes im Baugewerbe geltend.
Mit seiner am 12.12.2014 vor dem Arbeitsgericht Leipzig erhobenen Klage hat der Kläger seine Forderung weiter verfolgt. Des Weiteren hat er die Abgeltung von sechs Urlaubstagen verlangt. Zur Begründung hat er ausgef...