Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbegründete Verzugslohnklage eines Weiterbeschäftigung verlangenden Auszubildenden bei schriftlichem Angebot der Arbeitsleistung vor Fälligkeit der arbeitsgeberseitigen Mitwirkungshandlung
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 295 BGB genügt abweichend von § 294 BGB ein wörtliches Angebot, wenn entweder die Arbeitgeberin (Gläubigerin) dem Arbeitnehmer (Schuldner) erklärt hat, dass sie die Leistung nicht annehmen wird oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung der Arbeitgeberin erforderlich ist; "wörtliches" Angebot in diesem Sinne kann auch ein schriftliches sein.
2. Liegt ein schriftliches (wörtliches) Angebot des Arbeitnehmers vor, reicht dies zur Begründung des Annahmeverzugs nicht aus, wenn die Arbeitgeberin weder vorab erklärt hat, die Leistung nicht annehmen zu wollen, noch die gebotene Mitwirkungshandlung unterlassen hat.
3. Gemäß § 295 Alt. 2 BGB muss das wörtliche Angebot in zeitlicher Hinsicht nach der unterlassenen Mitwirkungshandlung erklärt werden; die Pflicht und auch die Möglichkeit, diese Handlung vorzunehmen, besteht grundsätzlich erst, wenn der Arbeitnehmer im Betrieb erscheint, denn es handelt sich insofern um einen Realakt und nicht um eine mündliche Erklärung, so dass für die Arbeitgeberin keine Veranlassung besteht, diesen Realakt vorzunehmen, solange der Arbeitnehmer nicht vor Ort ist.
4. Geschuldete Mitwirkungshandlung der Arbeitgeberin ist nicht, dass sie ihr Weisungsrecht bezüglich Arbeitsort, Zeit und Inhalt der Arbeitsleistung im Sinne des § 106 Satz 1 GewO vorab mündlich oder schriftlich ausübt, in dem sie dem Arbeitnehmer vor Erscheinen im Betrieb mitteilt, wo und was letzterer arbeiten soll (anders möglicherweise im Leiharbeitsverhältnis); auch bei neu begründeten Arbeitsverhältnissen wird der Arbeitnehmer in aller Regel erst nach Erscheinen am ersten Tag in die Arbeit eingewiesen.
5. Macht ein mit den Gegebenheiten des Betriebes hinreichend vertrauter Auszubildender nach bestandener Abschlussprüfung seine Weiterbeschäftigung geltend und bittet er in diesem Schreiben auch um eine umgehende Mitteilung, an welchem Arbeitsplatz er sich einfinden soll, erklärt der Arbeitnehmer sein schriftliche Angebot vor Fälligkeit der Mitwirkungshandlung; eine Antwort auf die schriftliche Nachfrage ist zwar menschlich wünschenswert, eine rechtliche Verpflichtung der Arbeitgeberin besteht hierzu jedoch nicht, und zwar auch dann nicht, wenn die Arbeitgeberin drei Betriebsstätten unterhält.
Normenkette
BGB §§ 292-293, 295, 615 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Chemnitz (Entscheidung vom 27.11.2014; Aktenzeichen 5 Ca 3089/13) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 27.11.2014 - Az. 5 Ca 3089/13 - wird auf seine Kosten
z u r ü c k g e w i e s e n .
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Annahmeverzugslohnansprüche des Klägers für den Zeitraum 01.07.2013 bis einschließlich 14.09.2013.
Die Beklagte unterhält drei Betriebsstätten. Zwischen ihr und dem Kläger bestand ein Berufsausbildungsverhältnis. Letzterer war Mitglied der betrieblichen Jugend- und Auszubildendenvertretung. Mit Schreiben vom 12.06.2012 beantragte der Kläger die ausbildungsgerechte Weiterbeschäftigung im Anschluss an die Ausbildung.
Am 23.08.2012 bestand er seine Abschlussprüfung und machte mit weiterem Schreiben vom selben Tag die Weiterbeschäftigung nochmals geltend. In diesem Schreiben bat er auch um umgehende Mitteilung, an welchem Arbeitsplatz er sich einfinden solle. Die Beklagte reagierte dem Kläger gegenüber auf dieses Schreiben nicht. Unter dem 27.08.2012 unterrichtete sie vielmehr den bei ihr bestehenden Betriebsrat darüber, dass beabsichtigt sei, den Kläger nicht in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen bzw. das bestehende Arbeitsverhältnis aufzulösen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass aus betriebswirtschaftlichen Gründen eine Übernahme nicht möglich sei, ein freier Arbeitsplatz sei nicht verfügbar. Der Betriebsrat stimmte in seiner Stellungnahme vom 28.08.2012 der Nichtübernahme bzw. der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu. Im weiteren Verlauf reichte die Beklagte beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses ein, welcher erstinstanzlich abgelehnt wurde. Mit rechtskräftigem Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 19.07.2013 wurde dann das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 14.09.2013 beendet.
In einem ersten Verfahren hat der Kläger Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 24.08.2012 bis einschließlich 30.06.2013 geltend gemacht. Erstinstanzlich wurde diese Klage abgewiesen. Das Urteil wurde auf die Berufung des Klägers mit Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 06.02.2014 (Az. 6 Sa 686/13) abgeändert.
Das Landesarbeitsgericht hat die Voraussetzungen für Annahmeverzugslohnansprüche im dortigen Urteil bejaht. Die Beklagte habe die ihr obliegende Mitwirkungshandlung nicht vorgenommen. Das vorliegende Verfahren wurde nach Eingang beim Arb...