Verfahrensgang
ArbG Bautzen (Urteil vom 17.05.1993; Aktenzeichen 9 Ca 1054/92) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 17.05.1993 – 9 Ca 1054/92 – wird auf Kosten des Beklagten
zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die 52jährige Klägerin ist seit 1977 als „Sachbearbeiterin für Lohn/Gehalt und Studiengebühren” für den Bereich Haushalt mit einem Bruttogehalt von monatlich DM 2.500,00 an der Ingenieurschule für Elektronik und Informationsverarbeitung G. beschäftigt. In einem schriftlichen Änderungsvertrag vom 16. Juli 1991 haben die Parteien unter anderem vereinbart: „Alle bisherigen Regelungen des Arbeitsvertrages vom 01.11.1977 einschließlich erfolgte Änderungen verlieren ihre Gültigkeit und werden durch die Regelungen des BAT-O ersetzt. Dies gilt insbesondere für die Zuordnung zu einer Gehaltsgruppe, für die Zahlung von Zulagen, Zuschlägen etc. Die Regelungen des Einigungsvertrages gelten uneingeschränkt weiter.” Beide Parteien gehören den tarifschließenden Verbänden des BAT-O an.
Mit Schreiben vom 10. Dezember 1992, der Klägerin zugegangen am 18. Dezember 1992, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien wegen mangelnden Bedarfs zum 28. Februar 1993. Hiergegen hat die Klägerin mit einem 22. Dezember 1992 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Kündigungsschutzklage erhoben.
Die Klägerin hat vorgetragen, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Eine ordentliche Kündigung nach dem Einigungsvertrag sei nach dem 03. Oktober 1992 nicht mehr möglich. Die insoweit durch einfaches Bundesgesetz verlängerte Sonderkündigungsmöglichkeit sei verfassungswidrig. Die maßgebende Kündigungsfrist ergebe sich daher aus § 53 Abs. 2 BAT-O und betrage für die Klägerin 6 Monate zum Quartalsende.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 10. Dezember 1992 nicht zum 28. Februar 1993 aufgelöst wurde.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, die Kündigung sei wegen Auflösung der Ingenieurschule G. per 31. Dezember 1992 sozial gerechtfertigt. Der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden.
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 10. Dezember 1992 nicht zum 28. Februar 1993 aufgelöst wurde, sondern bis 30. Juni 1993 fortbestand. Im übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.
Gegen das dem Beklagten am 03. Juni 1993 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat dieser mit einem am 30. Juni 1993 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 30. August 1993 am 25. August 1993 begründet.
Der Beklagte trägt vor, er wende sich mit der Berufung nur gegen die Anwendung falscher Kündigungsfristvorschriften. Die Kündigungsfrist für die Klägerin richte sich nach § 55 AGB-DDR, da es sich um eine Kündigung nach dem Einigungsvertrag handele. Die Spezialregelungen des Einigungsvertrages hinsichtlich der ordentlichen Kündigung gälten weiter. Daher seien auch die besonderen Kündigungsfristen nach § 55 AGB-DDR weiterhin maßgebend.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bautzen, Außenkammern Görlitz, vom 17. Mai 1993 – 9 Ca 1054/92 – die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat vorgetragen, § 53 Abs. 3 BAT-O, nach dem die Regelungen des Einigungsvertrages unberührt blieben, nähmen nur auf den Einigungsvertrag in seiner ursprünglichen Fassung Bezug. Daher fänden seit 03. Oktober 1992 die Kündigungsfristen des BAT-O auch auf ordentliche Kündigungen nach dem Einigungsvertrag Anwendung.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerechte eingelegte und damit zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage in dem in der Berufungsinstanz noch anhängigen Umfang mit Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung des Beklagten vom 10. Dezember 1992 nicht zum 28. Februar 1993, sondern erst zum 30. Juni 1993 aufgelöst worden. Denn für die Klägerin galt nach § 53 Abs. 2 BAT-O eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Schluß eines Kalendervierteljahres.
Der BAT-O findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 GVG). In § 53 Abs. 2 BAT-O heißt es:
„Im übrigen beträgt die Kündigungsfrist bei einer Beschäftigungszeit (§ 19 – ohne die nach Nr. 3 der Übergangsvorschriften zu § 19 berücksichtigen Zeiten) bis zu 1 Jahr 1 Monat zum Monatsschluß, nach einer Beschäftigungszeit
…
von mindestens 12 Jahren 6 Monate zum Schluß eines Kalendervierteljahres.”
Die Klägerin weist eine Beschäftigungszeit von...