Verfahrensgang
ArbG Chemnitz (Urteil vom 22.10.1992; Aktenzeichen 3 Ca 5191/92) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 22.10.1992 – 3 Ca 5191/92 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin war seit 01.10.1981 bei der Beklagten bzw. dem VEB als Rechtsvorgänger als Ingenieur-Ökonom und zuletzt als Software-Ökonom beschäftigt. Ihr Gehalt betrug im Juli 1990 1 482,36 DM brutto = 1 169,76 DM netto (Bl. 59 d. A.). Die Klägerin fand ab 01.08.1990 eine andere Stelle bei der Kreissparkasse B. mit einem Gehalt von 1 200,00 DM brutto = 919,95 DM netto (Bl. 58 d. A.). Deshalb bat sie am 26.07.1990, ihr das Arbeitsverhältnis zu kündigen und die Kündigung zur Einhaltung der Kündigungsfrist von 2 Wochen zurückzudatieren. Zum 30.07.1990 schied sie demgemäß bei der Beklagten aus. Die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt 39 Jahre alt.
Mit ihrer Klage vom 18.12.1990 macht die Klägerin eine Abfindung nach dem Rationalisierungsabkommen für Chemiebetriebe vom 15.03.1990 geltend. Dieser für den Rechtsvorgänger der Beklagten geltende Rahmenkollektivvertrag wurde zwischen dem Ministerium für Schwerindustrie und dem Zentralvorstand der Industriegewerkschaft Chemie/Glas und Keramik abgeschlossen (Bl. 26 ff d. A.) und unter Nr. 192/90 registriert. Am 2. April 1990 wurde dazu ein erster Nachtrag abgeschlossen (Bl. 30 f d. A.), der nicht mehr registriert worden ist. Am 10. Juli 1990 wurde durch Tarifvertrag zwischen dem Arbeitgeberverband Chemie, dem die Beklagte nicht angehörte und der IG Chemie ein Tarifvertrag abgeschlossen, der die Rationalisierungsvereinbarung vom 15.03.1990 mit Nachtrag mit Wirkung vom 01.07.1990 außer Kraft setzte (Bl. 34–40 d. A.). Die Beklagte schloß im September 1990 mit Wirkung vom 01.09.1990 mit der IG Chemie einen Haustarifvertrag ab, der in § 12 die Rationalisierungsvereinbarung vom 15.03.1990 mit Nachtrag ebenfalls außer Kraft setzte (Bl. 41–46 d. A.).
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe nach dem Abkommen vom 15.03.1990, das für die Beklagte noch bis zum 31.08.1990 gegolten habe, die Gehaltsdifferenz für 36 Monate zu. Sie sei freigesetzt worden und habe sich selbst um eine andere Stelle bemüht. Das Angebot der Beklagten, im Dreischichtbetrieb oder Bedienen von HF-Schweiß anlagen tätig zu werden, sei ihr als Ingenieurin nicht zumutbar. Die Differenz berechne sich nach Ziffer 3.1 des Rationalisierungsabkommens (Bl. 55 f d. A.).
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 8 997,12 DM nebst 4 % Zinsen auf 2 999,04 DM ab 01.08.1990 und auf 5 998,08 DM ab 01.08.1991 zu verurteilen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Da § 121 AGB ab 01.07.1990 aufgehoben worden sei, stehe der Klägerin auch kein Überbrückungsgeld mehr zu, das außerdem nur bei einvernehmlicher Aufhebung, nicht aber wie hier, bei der Kündigung zum 30.07.1990 zu zahlen sei. Darüber hinaus sei nach dem 01.07.1990 nur der Tarifvertrag für Chemie anzuwenden, nachdem der Klägerin kein Anspruch zustehe, da sie mit 39 Jahren ausgeschieden sei.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 22.10.1992 die Klage abgewiesen, weil die Klägerin nicht einverständlich ausgeschieden sei und eine neue Arbeit aufgenommen habe (Bl. 72 ff d. A.).
Gegen das am 09.12.1992 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11.01.1993 (Montag) Berufung eingelegt und diese am 09.02.1993 begründet.
Nach der Rationalisierungsvereinbarung vom 15.02.1990 habe die Klägerin Anspruch auf Überbrückungsgeld für 36 Monate. Ihr sei im Mai 1990 angekündigt worden, daß ihr Arbeitsplatz wegfalle. Sie habe sich um eine andere Arbeit bemüht, diese ab 01.08.1990 gefunden und sei deshalb mit Schreiben vom 13.07.1990 zum 31.07.1990 entlassen worden. Die angebotene andere Arbeit sei unzumutbar gewesen, zumal sie als Angestellte in den Arbeiterstand hätte wechseln müssen.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Zahlung von 8 897,12 DM nebst 4 % Zinsen aus 2 999,09 DM ab 01.08.1990 und aus 5 998,08 DM ab 01.08.1991 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Ein Überbrückungsgeld sei seit dem 01.07.1990 nicht mehr zu zahlen, auch fehle eine Willensübereinstimmung. Der Verzicht auf die Einhaltung einer Kündigungsfrist komme einem Aufhebungsvertrag nicht gleich. Auch nach dem Tarifvertrag vom 10.07.1990 habe die Klägerin keinen Anspruch, da sie unmittelbar im Anschluß eine andere Arbeit gefunden habe.
Auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze vom 09.02.1993 und 11.03.1993 wird im übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung war zurückzuweisen. Im Ergebnis zutreffend hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts war allerdings die Klage nicht schon deshalb abzuweisen, weil die Klägerin nicht die Voraussetzungen des Rationalisierungsabkommens vom 15.03.1990 erfüllte. Die Klägerin konnte auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz nicht weiterbeschäftigt werden...