Verfahrensgang
ArbG Dresden (Urteil vom 15.06.1993; Aktenzeichen 7 Ca 235/93) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 15.06.1993 – 7 Ca 235/93 – teilweise abgeändert.
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung mit Schreiben des Sächsischen Staatsministers für Wissenschaft und Kunst vom 17.12.1992 nicht mit Ablauf des 31.03.1993 endete, sondern bis 30.06.1993 fortbestand. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im übrigen wird die Berufung
zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 4/5, der Beklagte zu 1/5.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer auf die Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Ziff. 1 Abs. 5 Nr. 2 zum Einigungsvertrag (im folgenden: Abs. 5 EV) gestützten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen mit Schreiben des Sächsischen Staatsministers für Wissenschaft und Kunst vom 17.12.1992.
Der am 31.07.1941 geborene Kläger ist verheiratet und einer Person unterhaltsverpflichtet.
Der Kläger steht seit 01.01.1967 im Hochschuldienst, zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter, später als wissenschaftlicher Assistent und sodann als Oberassistent an der Hochschule für Verkehrswesen „F. L.” D. Mit Auflösung der Hochschule für Verkehrswesen gem. § 8 des Sächsischen Hochschulstrukturgesetzes vom 10.04.1992 (Sächsisches GVBl. Nr. 16, S. 161, 163) wurde dem Kläger durch Arbeitsvertrag vom 16.07.1992 (Bl. 9/10 d.A.) sowie Urkunde vom 01.07.1992 (Bl. 8 d.A.) eine Professur an der Hochschule für Technik und Wirtschaft D. (FH) für Softwaretechnologie übertragen. Als Beschäftigungszeit im Sinne des § 19 BAT-O wurde die Zeit ab 01.01.1967 anerkannt.
Der Kläger studierte von 1960 bis 1965 in Leningrad. Am 19.08.1960 gab der Kläger gegenüber dem MfS eine handschriftliche Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit ab und wählte den Decknamen „M.” (Bl. 45 d.A.). In der Folgezeit kam es während des Studiums des Klägers in Leningrad zu 69 Treffs mit Führungsoffizieren des MfS und 71 Berichten des Klägers über andere Personen, teilweise handschriftlich vom Kläger verfaßt (siehe die Unterlagen des Bundesbeauftragten, Bl. 46 bis 108 d.A.). Die letzten in den Unterlagen des Bundesbeauftragten enthaltenen Treff berichte datieren von 1964. Der Abschlußbericht der HA II stammt vom 05.01.1966, die Ablage des Aktenmaterials wurde verfügt am 01.09.1967. Der Kläger wurde vom MfS als GI (Geheimer Informant) geführt.
In dem ihm im April 1991 vorgelegten Fragebogen für den öffentlichen Dienst verneinte der Kläger die Frage nach einer offiziellen oder inoffiziellen Tätigkeit für das MfS/ANS. Nach Erlaß des Stasi-Unterlagengesetzes bemühte sich der Kläger im Jahre 1992 um Einsicht in die ihn betreffenden Unterlagen des Bundesbeauftragten. Ein Einzelbericht der Außenstelle D. des Bundesbeauftragten an den Kläger datiert vom 05.10.1992 (Bl. 118/119 d.A.). Am 24.09.1992 kam es zu einer Anhörung des Klägers vor der Personalkommission seiner Fakultät (siehe Protokoll Bl. 34 bis 36 d.A.). Hierbei verlas der Kläger eine schriftlich verfaßte Zusatzerklärung vom 24.09.1992 (Bl. 37/38 d.A.) und wies auf die über ihn existierende GI-Akte des MfS hin. Die Erklärung vom April 1991 habe er auf den Beschäftigungszeitraum an der Hochschule für Verkehrswesen bezogen.
Auf das Mitteilungsersuchen des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst sandte die Außenstelle D. des Bundesbeauftragten unter dem Datum des 16.11.1992 einen Einzelbericht (Bl. 42 bis 44 d.A.) sowie weitere Unterlagen.
Mit Schreiben vom 12.11.1992 (Bl. 123/124 d.A.) teilte der Staatssekretär beim Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst in Vertretung des Staatsministers der Vorsitzenden des Hauptpersonalrats beim Ministerium mit, es sei beabsichtigt, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger gem. Abs. 5 EV mit Wirkung zum 31.03.1993 zu kündigen. Dem Hauptpersonalrat wurde mit diesem Schreiben mitgeteilt, der Kläger habe in seiner Erklärung vom 20.04.1991 eine Tätigkeit für das MfS verneint, der Kläger sei jedoch von 1960 bis 1967 nach den Unterlagen des Bundesbeauftragten als geheimer Informant für das MfS tätig gewesen, habe eine Verpflichtungserklärung unterzeichnet und den Decknamen „M.” gewählt. Er habe während der Zeit seiner Tätigkeit in L. personenbezogene Berichte gefertigt. Damit sei der Kläger für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst nicht geeignet. Ein Festhalten am Arbeitsverhältnis sei unzumutbar. Da die Tätigkeit für das MfS bereits 25 Jahre zurückliege, werde jedoch von einer außerordentlichen Kündigung abgesehen.
Der Hauptpersonalrat erwiderte mit Schreiben vom 08.12.1992 (Bl. 125 d.A.), er erhebe gegen die Kündigungsabsicht keine Einwendungen.
Mit Schreiben vom 17.12.1992 (Bl. 11/12 d.A.) kündigte der Staatsminister das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.03.1993 und berief den...