Revision am BAG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung der Feststellung der Beschäftigungszeiten. Freistellungstage bei Erkrankung des Kindes. Feststellungsinteresse. Vordienstzeiten als Beschäftigungszeit. Auswirkungen auf tarifvertragliche Arbeitsbedingungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst kann nach § 256 ZPO auf Feststellung klagen, dass bestimmte Vordienstzeiten als Beschäftigungszeit anzurechnen sind, wenn der Arbeitgeber die Dauer der Beschäftigungszeit festgesetzt hat und er die Berücksichtigung weiterer Zeiten ablehnt. Das notwendige Feststellungsinteresse besteht nicht erst, wenn der Arbeitgeber eine konkrete Maßnahme auf eine nach Auffassung des Angestellten unzutreffende Berechnung der Beschäftigungszeiten stützt.
2. Eine auf Anrechnung bestimmter Vordienstzeiten gerichtete Feststellungsklage ist nicht zulässig, wenn die Festsetzung der Beschäftigungszeit keinerlei Auswirkungen auf tarifvertragliche Arbeitsbedingungen oder Ermessensentscheidungen des Arbeitgebers hat.
Normenkette
BAT-O § 19; ZPO § 256
Verfahrensgang
ArbG Leipzig (Urteil vom 14.02.2003; Aktenzeichen 15 Ca 5836/02) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 14. Februar 2003 – 15 Ca 5836/02 – wird auf Kosten der Klägerin
z u r ü c k g e w i e s e n. |
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Festlegung der Beschäftigungszeit der Klägerin bei dem Beklagten.
Die Klägerin ist seit dem 01.08.1987 als Grundschullehrerin bei dem Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der BAT-O Anwendung. Die Klägerin ist Mutter eines am …1997 geborenen Kindes und lebt mit dem Vater des Kindes in eheähnlicher Lebensgemeinschaft. Sie ist allein sorgeberechtigt. Das Kind der Klägerin erkrankte in der Zeit vom 05. bis 07.12. und am 10. und 11.12.2001. Die Klägerin legte dem Beklagten eine Krankmeldung ihres Kindes vor und blieb der Arbeit fern. Zuvor war die Klägerin bereits zehn Tage zur Betreuung ihres Kindes von ihren Arbeitsleistungen freigestellt und erhielt von der Krankenkasse nach § 45 SGB V Krankengeld. Im Hinblick darauf teilte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 28.01.2001 (Bl. 11 d. A.) mit, dass er der Klägerin Sonderurlaub gemäß § 50 Abs. 1 BAT-O für die Zeit vom 05. bis 07.12. und vom 10. bis 11.12.2001 gewähre. Gleichzeitig setzte er die Beschäftigungszeiten der Klägerin gemäß § 19 BAT-O vom 01.08.1987 auf den 06.08.1987 neu fest (Bl. 137 R. d. A.). Mit Schreiben vom 24.04.2002 (Bl. 15 d. A.) lehnte es der Beklagte ab, der Klägerin für den Zeitraum vom 05. bis 07.12. und vom 10. bis 11.12.2001 Freistellung ohne Fortzahlung der Bezüge nach § 52 Abs. 3 Unter abs. 2 BAT-O zu gewähren.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Änderung der Festsetzung der Beschäftigungszeiten vom 01. auf den 06.08.1987 rechtswidrig sei. Der Beklagte habe die Beschäftigungszeiten nicht verändern dürfen. Da die Klägerin für ihr Kind allein sorgeberechtigt sei, habe sie einen Anspruch auf 20 Freistellungstage im Falle der Erkrankung ihres Kindes. Es komme nicht darauf an, dass sie mit dem nicht sorgeberechtigten Vater ihres Kindes zusammenlebe. Im Übrigen sei dem Vater des Kindes im streitgegenständlichen Zeitraum eine Pflege des Kindes – unstreitig – nicht möglich gewesen. Jedenfalls hätte der Beklagte die Klägerin nach § 52 Abs. 3 Unterabs. 2 BAT-O kurzfristig freistellen müssen. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Sonderurlaub nach § 50 Abs. 1 BAT-O lägen nicht vor; im Übrigen habe die Klägerin auch keinen Antrag auf Gewährung von Sonderurlaub gestellt. Deshalb dürften ihre Beschäftigungszeiten nicht gekürzt werden. Die unbezahlte Freistellung sowohl nach § 45 SGB V als auch nach § 52 BAT-O führe nicht zu einer Nichtberücksichtigung bei der Festlegung der Beschäftigungszeiten.
Die Klägerin hat beantragt,
- Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 05., 06., 07.12.2001 und 10., 11.12.2001 unbezahlte Arbeitsfreistellung zu gewähren.
- Es wird festgestellt, dass die Beschäftigungszeit der Klägerin nach § 19 BAT-O am 01.08.1987 beginnt.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, für den Antrag zu 2. bestehe kein Feststellungsinteresse, denn die Verkürzung der Beschäftigungszeit um fünf Tage habe keine Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis. Im Übrigen habe die Klägerin für die Zeit vom 05. bis zum 11.12.2001 weder einen Anspruch nach § 45 SGB V noch nach § 52 Abs. 3 Unterabs. 2 BAT-O. Weil die Klägerin in eheähnlicher Lebensgemeinschaft mit dem Vater des Kindes lebe, müsse sie sich so behandeln lassen, als stehe beiden Elternteilen das Personensorgerecht zu. Ein erhöhter Anspruch von 20 Tagen stehe nur allein stehenden Erziehungsberechtigten zu. Ein Freistellungsanspruch nach § 52 Abs. 3 Unterabs. 2 BAT-O bestehe schon deshalb nicht, weil diese Vorschrift auf Fälle der Erkrankung de...