Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Verfallklausel

 

Leitsatz (redaktionell)

Zwar ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG - 5 AZR 703/15 - 24.08.2016) eine Verfallfristenregelung unwirksam, wenn sie den gesetzlichen Mindestlohn nicht erfasst. Jedoch gilt dies nicht für vor dem Inkrafttreten des MiLoG abgeschlossene Arbeitsverträge, da eine zu diesem Zeitpunkt noch wirksame Ausschlussfristenregelung den bis dahin noch unbekannt gewesenen gesetzlichen Mindestlohn im Inhalt des Vertrages nicht berücksichtigen konnte.

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

ArbG Zwickau (Entscheidung vom 04.04.2018; Aktenzeichen 8 Ca 951/17)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.10.2019; Aktenzeichen 9 AZR 532/18)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Zwickau vom 04.04.2018 - 8 Ca 951/17 - wird auf dessen Kosten

z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung.

Zwischen den Parteien bestand seit dem 01.05.2013 ein Arbeitsverhältnis, welches die Beklagte am 13.09.2016 fristlos kündigte. Im Gütetermin des nachfolgenden Kündigungsschutzprozesses vor dem Arbeitsgericht Zwickau (3 Ca 1367/16) einigten sich die Parteien am 03.11.2006 u. a. darauf, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung zum 31.10.2016 beendet wurde (vgl. Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 15.05.2018).

Ob zwischen den Parteien ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen wurde, steht zwischen diesen im Streit. Jedenfalls ist nach § 5 Nr. 1 des von der Beklagten vorgelegten Arbeitsvertrages ein jährlicher Erholungsurlaub von 26 Werktagen vereinbart (vgl. Anlage B 1). Dieser Arbeitsvertrag enthält in § 13 eine zweistufige Ausschlussfristenregelung zur schriftlichen und gerichtlichen Geltendmachung von je drei Monaten, ohne dass auf den Verfall von Mindestlohnansprüchen Bezug genommen wird.

Im Jahre 2016 nahm der Kläger insgesamt zehn Werktage Urlaub bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Anspruch. Solches ergibt sich aus den vorgelegten Urlaubsanträgen vom 25.04. und 07.07.2016 (vgl. Anlage K 2).

Der im Kündigungsschutzprozess geschlossene Vergleich beinhaltet in Ziffer 3. desselben zur offenen Vergütung: "Die Beklagte erteilt dem Kläger bis 30.11.2016 eine Abrechnung des Arbeitsverhältnisses nach Maßgabe der Ziffer 1. dieses Vergleichs.

Die sich für den Kläger ergebende Nettovergütung wird fällig am 30.11.2016." Der Vergleich beinhaltet im Übrigen keine spezifischen Regelungen zum Inhalt der Vergütung, auch nicht hinsichtlich des Urlaubs. Sodann forderte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 17.01.2017 die Abgeltung des Resturlaubs (vgl. Anlage B 2). Die Beklagte erklärte sich hierauf nicht.

Mit der am 27.07.2017 beim Arbeitsgericht Zwickau eingegangenen Klage (8 Ca 951/17) hat der Kläger die Abgeltung des Urlaubs 2016 in Höhe von 2.041,85 € brutto nebst Zinsen gerichtlich geltend gemacht.

Der Kläger hat vorgetragen, dass ihm der von der Beklagten vorgelegte Arbeitsvertrag vollkommen unbekannt sei. Er habe die Erteilung einer Ausfertigung dieses Arbeitsvertrages am 19.09.2016 schon im Kündigungsschutzverfahren erfolglos geltend gemacht. Deswegen sei ihm die Verfallklausel, die in demselben enthalten sei, unbekannt gewesen und auch unwirksam. Denn ein schriftlicher Vertrag sei gar nicht zustande gekommen, weil der Geschäftsführer bei Unterzeichnung nicht zugegen gewesen sei. Weil die Beklagte auch einen Nachweis nach dem Nachweisgesetz nicht gefertigt habe, ergebe sich eine Schadenersatzpflicht der Beklagten.

Jedenfalls aber sei die Verfallfristenregelung unwirksam, weil sie Ansprüche auf Mindestlohn nicht ausnehme. Deswegen sei eine fristgebundene Klageerhebung auch nicht erforderlich gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.041,85 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.11.2016 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, ein etwaiger Anspruch des Klägers sei aufgrund der Ausschlussfristenregelung in § 13 Abs. 1 des Arbeitsvertrages, wonach die schriftliche Geltendmachung binnen drei Monaten nach Fälligkeit und binnen drei weiterer Monate die gerichtliche Geltendmachung geboten sei, verfallen. In der zweiten Stufe sei die Verfallfrist nicht gewahrt. Die Klageerhebung am 27.07.2017, die bis maximal 17.05.2017 hätte stattfinden müssen, sei verspätet. Der vom Kläger monierte fehlende Arbeitsvertrag sei diesem nicht unbekannt; er habe ihn als Anlage im Kündigungsschutzprozess selbst eingereicht. Dort sei auch die Verfallklausel in § 13 enthalten. Tatsächlich sei der Arbeitsvertrag auch persönlich sowohl vom Kläger als auch vom Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet und die Arbeitszeit in demselben noch handschriftlich ergänzt worden. Der Kläger bestreite auch nicht die Unterzeichnung dieses Vertrages. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Un...

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