Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafbares außerdienstliches Verhalten als Grund für personenbedingte, ordentliche Kündigung. Grundsatz der subjektiven Determination bei Mitteilung der Kündigungsgründe an Personalrat
Leitsatz (redaktionell)
1. Durch § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 KSchG wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn der Arbeitnehmer die erforderliche Eignung oder Fähigkeit nicht oder nicht mehr besitzt, die geschuldete Arbeitsleistung vertragsgerecht zu erbringen. Auch strafbares außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers kann Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit einer Beschäftigung begründen.
2. Für die Mitteilung der Kündigungsgründe an den Personalrat gilt der Grundsatz der subjektiven Determination. Danach muss der Dienststellenleiter dem Personalrat zwar nicht alle Gründe mitteilen, auf die die Kündigung gestützt werden könnte. Er muss ihm jedoch vollständig alle Gründe mitteilen, die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich waren.
Normenkette
GG Art. 33 Abs. 4; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 1; SächsLKO § 2 Abs. 1-2; BZRG §§ 45-46; SächsPersVG § 34 Abs. 2, § 73 Abs. 2, § 76 Abs. 1, § 78 Abs. 1; BetrVG § 26 Abs. 2 S. 2, § 102 Abs. 1 S. 2; BPersVG § 79
Verfahrensgang
ArbG Leipzig (Entscheidung vom 27.11.2019; Aktenzeichen 11 Ca 293/19) |
ArbG Leipzig (Entscheidung vom 03.07.2019; Aktenzeichen 11 Ca 293/19) |
Tenor
Auf die Berufungen des Beklagten werden die Urteile des Arbeitsgerichts Leipzig vom 03.07.2019 und vom 27.11.2019 - 11 Ca 293/19 -
a b g e ä n d e r t
und die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Revision ist nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in dieser sowie in der her verbundenen Sache selben Rubrums (Sächsisches Landesarbeitsgericht 2 Sa 17/20 alt) im zweiten Rechtszug unverändert darüber, ob das sie verbindende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Kündigung des Beklagten mit Schreiben vom 28.01.2019, dem Kläger zugegangen am 29.01.2019, erklärt zum 28.02.2018 (gemeint: 2019) nicht aufgelöst ist. Zudem geht es dem Kläger unverändert um seine Prozessbeschäftigung und dem Beklagten unverändert um Auflösung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls durch Urteil des Gerichts.
Der am ...1971 geborene geschiedene Kläger, der zwei minderjährigen Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist, wurde von dem Beklagten aufgrund unter dem 06.06.2018 unterzeichneten Arbeitsvertrages für die Zeit ab 15.06.2018 auf unbestimmte Zeit als Justitiar des ... des ... des Beklagten bei einer Bruttomonatsvergütung von 4.479,41 € in Vollzeit beschäftigt.
Eingruppiert wurde der Kläger in der Entgeltgruppe E 13 TVöD-VKA.
Ausweislich des ihm unter dem 21.03.2019 erteilten Arbeitszeugnisses war der Kläger im ... für die juristische Betreuung des Gesundheitsamtes, des Lebensmittelüberwachungs- und Veterinäramtes, des Straßenverkehrsamtes, des Ordnungsamtes sowie des Amtes für Migrations- und Ausländerrecht zuständig. Er hatte in komplexen Widerspruchs- und Klageverfahren die Ämter zu beraten und eigenständige Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Er nahm zu allen Fallgestaltungen der genannten Fachämter selbständig die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung des Landkreises wahr, dies sowohl vor den Verwaltungsgerichten und den Oberverwaltungsgerichten als auch den Amtsgerichten. Sein Aufgabengebiet bestand darüber hinaus darin, in besonders schwierigen und komplexen Fallgestaltungen in Zusammenarbeit mit den Fachämtern neu zu erstellende Fachkonzeptionen bezüglich ihrer juristischen Lösungsansätze zu bewerten und Lösungswege aufzuzeigen. Dies betraf z. B. die komplexen Vergabeverfahren in den Bereichen des öffentlichen Nahverkehrs, des Rettungsdienstes sowie der Notfallversorgung im Landkreis, die sowohl die Umsetzung nationalen als auch europäischen Vergaberechts beinhalteten. Die eigenständige Erarbeitung von Vertragsentwürfen zur Abstimmung mit den Fachämtern gehörte ebenso zu seinem Aufgabengebiet. Arbeits- und dienstrechtlich war er für die juristische Aufarbeitung komplexer Sachverhalte im Dezernat tätig. Im Rahmen seiner Tätigkeit führte er selbständig Verhandlungen mit Vertragspartnern und Behördenvertretern.
Der Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten. Ein Personalrat ist gebildet.
Die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses hatte der Beklagte im Zuge des Bewerbungsverfahrens vom Kläger nicht verlangt.
Mit einem an den Landrat des Beklagten gerichteten Schreiben vom 07.12.2018 wurde der Kläger von einem Rechtsanwalt, seinem früheren Geschäftspartner, denunziert. Damit hatte es folgende Bewandtnis:
Mit rechtskräftiger Entscheidung des Amtsgerichts Döbeln vom 19.10.2015 war der Kläger aufgrund letzter Tat am 08.08.2013 wegen Untreue zu einer Strafe von 70 Tagessätzen zu je 15,00 € verurteilt worden.
Mit rechtskräftiger Entscheidung desselben Amtsgerichts vom 14.06.2017 war der Kläger mit Datum letzter Tag am 24.08.2015 wegen Unt...