Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Befristung des Arbeitsverhältnisses zur Umsetzung des Europäischen Sozialfonds in Sachsen. Europäischer Sozialfonds als dauerhaftes und gemeinsames Förderinstrument der EU und Mitgliedsstaaten
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Umsetzung des Europäischen Sozialfonds (ESF) in den Mitgliedsstaaten ist kein Sonderprogramm, da die ESF-Förderung dauerhaft seit 1993 partnerschaftlich zwischen Europäischer Union, der Bundesrepublik Deutschland selbst und ihren Ländern letztlich auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 GG und den EU-Verträgen im Rahmen des Europäischen Integrationsprozesses umgesetzt wird; der Europäische Sozialfonds ist ein dauerhaftes und gemeinsames Förderinstrument der EU und der Mitgliedsstaaten sowie ihrer Regionen in geteilter Zuständigkeit und gemeinsamer Verwaltung gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. c AEUV.
2. Für die Wirksamkeit einer Befristung des Arbeitsvertrages kommt es nicht auf die Endlichkeit des "EU-Strukturprogramms 2007-2013" an, sondern auf die dauerhafte Umsetzung der Ziele der ESF-Förderung im Sinne der Art. 174 bis 178 mit Art. 162 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) als europäische Aufgabe und dauerhaften Prozess insgesamt im Freistaat Sachsen.
3. Ist zum Zeitpunkt der Einstellung der Arbeitnehmerin absehbar, dass unter der vernünftigen Annahme, dass sich die EU nicht bis zum 31.12.2013 auflöst und der Freistaat Sachsen gemessen am Bruttoinlandsprodukt bis dahin nicht zu den stärksten Regionen Europas zählt, ab dem Jahr 2014 weiterhin Mittel des Europäischen Sozialfonds für "Technische Hilfen" zur Verfügung stehen würden, kann bei Vertragsabschluss im Februar 2008 unter realistischer und objektiver Betrachtungsweise nur davon ausgegangen werden, dass ESF-Mittel für Technische Hilfen auch nach dem 31.12.2013 bis mindestens 2023 (Förderperiode 2014 - 2020 und der dann geltenden n+3-Regelung) zur Verfügung stehen würden.
Normenkette
TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Dresden (Entscheidung vom 20.06.2013; Aktenzeichen 6 Ca 2668/12) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 20.06.2013 - 6 Ca 2668/12 - abgeändert:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht aufgrund der Befristung im Arbeitsvertrag vom 25.02.2008 zum 31.12.2013 beendet worden ist.
2. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Rechtsstreits zu den bisherigen Vertragsbedingungen weiterzubeschäftigen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 31.12.2013 geendet hat.
Die Klägerin ist Bankkauffrau und Volljuristin. Mit Arbeitsvertrag vom 25.02.2008 wurde sie ab dem 01.03.2008 beim Beklagten als Vollbeschäftigte befristet eingestellt.
Die Klägerin wurde in die Entgeltgruppe 13 TV-L eingruppiert und erzielte zuletzt eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von ca. 3.900,00 EUR. Ausweislich des Arbeitsvertrages vom 25.02.2008 wurde das Arbeitsverhältnis befristet gemäß § 14 Abs. 1 TzBfG für die Dauer der Bereitstellung von Haushaltsmitteln im Kapitel 0707 Titel 54709 zur Abwicklung von Aktionen des Europäischen Sozialfonds im Rahmen des Operativen Programms zur Strukturfondsförderung des Freistaates Sachsen 2007 - 2013, längstens bis zum 31.12.2013.
Dem Beklagten ist es seit 1993 möglich, über die Erstellung sogenannter Operationeller Programme, über die das Kabinett entscheidet und das die EU-Kommission genehmigen muss, Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds zu erhalten. Dies betraf und betrifft die Förderperioden 1993 - 1999, 2000 - 2006, 2007 - 2013 und nunmehr 2014 - 2020.
Die Klägerin war zuletzt im Referat 34 - Hochschulplanung und Statistik - des SMWK tätig. Dieses Referat ist seit dem 01.01.2010 verantwortlicher Fondsbewirtschafter der Richtlinie ESF Hochschule und Forschung. Was genau die Klägerin für Tätigkeiten ausgeübt hat, ist zwischen den Parteien allerdings streitig. Nach Auffassung des Beklagten ist die Klägerin weitaus überwiegend mit Aufgaben der sog. "Technischen Hilfen" betraut. Dies ist das Instrument der Verwaltungsbehörde bei der Umsetzung des ESF. Finanziert werden hieraus Maßnahmen zur Vorbereitung, Verwaltung, Begleitung (Monitoring), Bewertung (Evaluierung), Information und Kontrolle der Operationellen Programme zusammen mit Maßnahmen zum Ausbau der Verwaltungskapazitäten. Durch die Klägerin erfolge eine rechtliche und fachliche Anleitung und Begleitung der Umsetzung der Förderung der Richtlinie ESF Hochschule und Forschung bei der Sächsischen Aufbaubank (z. B. Abstimmung der Auflagen im Zuwendungsbescheid, Festlegung der einzureichenden Unterlagen bei der SAB im Antrags-, Mittelabbruch- und Verwendungsnachweisverfahren, fachliche Stellungnahmen zu Projektskizzen und Anträgen). Außerdem nehme die Klägerin etwa Kontroll- und Steuerungsaufgaben im Bereich der Richtlinie ESF Hochschule und...