Verfahrensgang

ArbG Leipzig (Urteil vom 25.05.1994; Aktenzeichen 4 Ca 380/94)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 25. Mai 1994 – 4 Ca 380/94 – wird auf Kosten des Klägers

zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der 1960 geborene Kläger ist verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Der Kläger ist bei der Beklagten Stadt L. im O. beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehört die Kontrolle des Reisegewerbes, Schwarzhandels und des Hütchenspiels.

Vor der Wende war der Kläger in der Abteilung Innere Angelegenheiten beim Rat des Stadtbezirks S. der Stadt L. beschäftigt. Der Kläger, der zunächst in einem volkseigenen Betrieb als Handwerker beschäftigt war, wechselte im Jahre 1985 zum Rat des Stadtbezirks S., weil es sein Wunsch war, zur Polizei zu kommen, und ihm mitgeteilt wurde, daß nach einer Tätigkeit in der Abteilung I. A. beim Rat des Stadtbezirks S. eine Übernahme bei der Polizei in Betracht komme.

Von Anfang 1985 bis Juli 1986 arbeitete der Kläger in der Abteilung I. A. beim Rat des Stadtbezirkes S. der Stadt L. in dem Bereich Betreuung und Wiedereingliederung Strafentlassener Bürger als Sachbearbeiter. Ab 12. Juli 1986 war der Kläger in der Abteilung I. A. in dem Bereich Ordnungs- und Genehmigungsangelegenheiten als Sachbearbeiter tätig. Dieser Bereich war u. a. für die Entgegennahme und Bearbeitung von Ausreiseanträgen zuständig.

Ab Januar 1987 wurde der Kläger Leiter des Bereichs Ordnungs- und Genehmigungsangelegenheiten und in dieser Funktion stellvertretender Abteilungsleiter. Der Kläger war damit auch selbst für Ausreiseangelegenheiten zuständig. Zu den Aufgaben als stellvertretender Abteilungsleiter gehörte daneben auch die Wiedereingliederung entlassener Strafgefangener. Der Kläger war dabei in dieser Zeit mit der Organisation und Durchführung zweier umfangreicher Amnestien befaßt.

Anfang 1989 wurde der Kläger zum Abteilungsleiter berufen. In dieser Funktion war er dem Leiter der Abteilung für I. A. unterstellt und zugleich dessen Stellvertreter. Als Abteilungsleiter waren dem Kläger die vier Leiter der Bereiche a) Betreuung und Wiedereingliederung von kriminell gefährdeten und straffällig gewordenen Bürgern, b) Ordnungs- und Genehmigungsangelegenheiten, c) Brandschutz und d) Standesamt und Staatsbürgerfragen unterstellt.

Soweit der Kläger mit Ausreiseangelegenheiten befaßt war, hatte er die Anträge Ausreisewilliger entgegenzunehmen. Hierbei wurden neben den persönlichen Daten auch die Gründe für die Ausreise aufgenommen. Der Kläger war angewiesen, ausreisewillige Bürger in den Gesprächen, die im Zusammenhang mit den Ausreiseanträgen geführt wurden, von der Ausreise abzuhalten und zum Verbleib in der DDR zu bewegen. Über Repressalien gegen Ausreisewillige hatte der Kläger selbst jedoch nicht zu entscheiden. Hierüber wurde vielmehr in den Betrieben und Verwaltungen befunden.

Der Kläger legte über die Ausreisewilligen Akten und Karteien an und schickte Durchschläge an den Rat der Stadt zu der dortigen Abteilung I. A.. Ihm war dabei bekannt, daß der Ausreiseantrag für die Bürger in der Regel mit erheblichen Benachteiligungen durch die Staatsgewalt der DDR und die Betriebe verbunden war. Aufgrund bestehender Dienstvorschriften erteilte der Kläger auch u. a. Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) Auskünfte.

Über die Genehmigung von Ausreiseanträgen hatte der Kläger selbst nicht zu entscheiden. Der Kläger hatte vielmehr die von anderer Stelle getroffene Entscheidung den Ausreisewilligen zu eröffnen. Soweit eine Ausreisegenehmigung erteilt wurde, übergab der Kläger den ausreisewilligen Bürgern dann einen Laufzettel, auf dem bestätigt werden mußte, daß die dort aufgeführten Erledigungen (z. B. Wohnung und Strom abmelden. Sparkonto auflösen usw.) tatsächlich durchgeführt wurden. Nachdem die auf dem Laufzettel aufgeführten Besorgungen erledigt waren, hatten die ausreisewilligen Bürger beim Kläger einen Antrag auf Entlassung aus der DDR-Staatsbürgerschaft zu stellen. Dieser Antrag wurde dann über den Rat der Stadt an die Volkspolizei, Abteilung Paß- und Meldewesen, weitergeleitet. Die Urkunden zur Entlassung der ausreisewilligen Bürger aus der DDR-Staatsbürgerschaft wurden vom Rat des Bezirkes ausgestellt und von dort aus dem Kläger zur Übergabe an die ausreisewilligen Bürger zugeleitet.

Der Kläger wirkte u. a. an der Bearbeitung des Ausreiseantrages der Familie O. mit. Die Familie O. erhielt am 03. Mai 1989 nachmittags vom Kläger die Urkunde zur Entlassung aus der DDR-Staatbürgerschaft mit dem Hinweis überreicht, bis 24.00 Uhr das Land verlassen zu müssen. Trotz des Einwands, dem sechs Wochen alten Kind der Familie die Nachtfahrt zu ersparen, blieb es bei dem Ausreisetermin.

Nach dem 03. Oktober 1990 wurde die Abteilung Inneres des Rats des Stadtbezirks S. der Beklagten als Ganzes übernommen und die dort Beschäftigten wurden Angestellte der Beklagten. Auf seinen ...

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