Entscheidungsstichwort (Thema)

Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich des Arbeitsortes für Lehrer an einer staatlich genehmigten Ersatzschule. Billiges Ermessen, betriebliche Übung, Berichtigung des Urteilstenors. Verkehrung in sein Gegenteil

 

Normenkette

SächsFrTrSchulG § 5 Abs. 3; BGB § 315 Abs. 3, § 242; ZPO § 319 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Leipzig (Urteil vom 24.03.1999; Aktenzeichen 2 Ca 6234/98)

 

Nachgehend

Sächsisches LAG (Beschluss vom 09.05.2000; Aktenzeichen 5 Sa 514/99)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 24.03.1999, Az.: 2 Ca 6234/98 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass festgestellt wird, dass der Rechtsstreit hinsichtlich der Klägerin zu 3) in der Hauptsache erledigt ist.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

 

Tatbestand

Die Prozessparteien streiten darüber, inwieweit die Klägerinnen und die Kläger über eine wöchentliche Pflichtstundenzahl zur Unterrichtserteilung von 27 Stunden, darüber hinaus die gesamte wöchentliche geschuldete Arbeitszeit in der Einrichtung der Beklagten verrichten müssen (Präsenzzeit).

Die Klägerinnen und Kläger (im weiteren Kläger) sind bei der Beklagten, die eine staatlich genehmigte Ersatzschule betreibt, sämtlich als Lehrerinnen und Lehrer beschäftigt. Die Beklagte hat die genannte Ersatzschule, die zunächst als öffentliche Berufsschule für Hörgeschädigte betrieben wurde, mit Wirkung vom 01.01.1995 von dem Freistaat Sachsen übernommen (Trägerwechsel). Einhergehend mit der Übernahme wurden mit den Klägern neue arbeitsvertragliche Regelungen getroffen. Unter anderem wurde vereinbart, dass auf das Arbeitsverhältnis jeweils die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der evangelischen Kirche Deutschlands (AVR) Anwendung finden.

In § 4 des Arbeitsvertrages wurde Folgendes bestimmt:

„Die wöchentliche Arbeitszeit und die unterrichtsfreie Zeit der Lehrer entsprechen der Arbeitszeit der vollbeschäftigten Lehrkräfte im öffentlichen Dienst des Landes Sachsen. Zusätzlich können Lehrkräfte innerhalb der gesetzlich geregelten Arbeitszeit zu Aufgaben außerhalb der Pflichtstundenzahl herangezogen werden. Schwerpunkt dieser Aufgaben ist die Integration von Theorie und Praxis. Der Mitarbeiter kennt die Projektbeschreibung zur integrierten Unterrichtsform (siehe Anlage 1).”

Im Rahmen eines Modells der integrativen Ausbildung, das als Schwerpunkt eine Verflechtung von theoretischer und praktischer Ausbildung beinhaltet, sind die Kläger arbeitsvertraglich verpflichtet, berufstheoretischen Unterricht zu erteilen. Dieser bestand in der Vergangenheit darin, dass eine Pflichtstundenzahl für Unterrichtserteilung für einen vollbeschäftigten. Lehrer (die Kläger zu 1. bis 2. und 4. bis 11.) von 27 galt und für die Teilzeitbeschäftigte Klägerin zu 3 von 15. Darüber hinaus bestand grundsätzlich die Möglichkeit, die darüber hinausgehende Arbeitszeit, die auch die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts beinhaltet, in der häuslichen Umgebung zu absolvieren. Eingeräumt haben die Kläger allerdings, dass sie innerhalb des Modellversuchs integrative Ausbildung, drei weitere Stunden über die Pflichtstundenzahl hinaus in der Einrichtung präsent sind.

Da in der Vergangenheit bereits Streit hinsichtlich der Arbeitszeit bestanden hatte, d. h. erstmalig im Jahre 1997, als die 40-stündige Präsenz dem Kläger vor Ort angeordnet wurde, fand eine Güteverhandlung im Schlichtungsverfahren von der Schlichtungsstelle für Streitigkeiten nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz statt, in welcher die Beteiligten (die Mitarbeitervertretung der Beklagten als Antragstellerin und die Beklagte) eine Einigung dahingehend erzielten, als dass die Anordnung des Geschäftsführers hinsichtlich der 40-Stunden-Präsenz dem Direktionsrecht unterliege und nicht mitbestimmungspflichtig sei, weil diese Maßnahme nicht Beginn und Ende der täglichen oder wöchentlichen (Gesamt-)Arbeitszeit betreffe.

Im Übrigen besteht bei der Beklagten eine Dienstvereinbarung vom 22.04.1998, die u. a. Gleit- und Kernarbeitszeit der Lehrer und Ausbilder wie folgt regelt:

Gleitarbeitszeit für Lehrer und Ausbilder:

Mo. – Do.

7.00 Uhr bis 18.00 Uhr

(10,0 Std. AZ) abzüglich

1,0 Std. Pause

Fr.

7.00 Uhr bis 15.00 Uhr

(7,0 Std. AZ) abzüglich

1,0 Std. Pause

Kernarbeitszeit für Lehrer und Ausbilder:

Mo. – Do.

8.00 Uhr bis 15.00 Uhr

Fr.

8.00 Uhr bis 13.00 Uhr.

Weiterhin enthält die Dienstvereinbarung u. a. die Regelung, dass die Gleitarbeitszeit unter Berücksichtigung des Dienstplanes, praxisintegrierten Unterricht, Lehrerkonferenzen, Fachbereichskonferenzen usw. stattfindet. Die Dienstvereinbarung ist seit dem 01. Mai 1998 in Kraft.

Am 02.04.1998 hat der Schulleiter der Beklagten für die vollbeschäftigten Kläger eine 40-stündige Präsenzzeit (pro Arbeitswoche) an der Berufsschule angewiesen, für die teilzeitbeschäftigte Klägerin zu 3. im Rahmen deren geschuldeter Arbeitszeit (20 Wochenstunden). Mit Schreiben vom 28.04.1998 haben die Kläger mitgeteilt, dass sie dieser Dienstanweisung zwar zun...

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