Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestehens eines Arbeitsverhältnisses. Rechtskrafterstreckung bei Bestandsstreitigkeiten. Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Feststellung der Erwerbsunfähigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Aus § 59 Abs. 1 BAT und § 59 Abs. 1 BAT-O ergibt sich, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien die Feststellung der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit grundsätzlich durch den von den Parteien des Arbeitsvertrages unabhängigen Rentenversicherungsträger erfolgen soll. Dem Gutachten des Amtsarztes kommt nur dann maßgebliche Bedeutung zu, wenn der Angestellte die Feststellung des Rentenversicherungsträgers schuldhaft verzögert.

 

Normenkette

BAT § 59 Abs. 1; BAT-O § 59 Abs. 1; ZPO § 322 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Halle (Saale) (Urteil vom 14.07.2004; Aktenzeichen 3 Ca 4202/03)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 14. Juli 2004 – 3 Ca 4202/03 – abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht am 31. Mai 2003 geendet hat.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger zu 1/4 und das beklagte Land zu 3/4.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund amtsärztlich festgestellter Erwerbsminderung gemäß § 59 Abs. 1 Bundes-Angestelltentarifvertrag-Ost (BAT-O) am 31. Mai 2003 geendet hat, sowie über den Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung.

Der am 28. Juni 1950 geborene Kläger ist seit dem 1. September 2003 bei dem beklagten Land beschäftigt. Die seit dem 1. September 1973 im Hochschuldienst der DDR zurückgelegte Zeit der Tätigkeit des Klägers ist als Beschäftigungszeit durch das beklagte Land anerkannt.

Der Kläger erlangte einen Hochschulabschluss als Diplom-Mathematiker und promovierte. Nach Beendigung des Studiums war der Kläger ab 1. September 1973 an der damaligen Technischen Hochschule „Carl Schorlemmer” Leuna-Merseburg in der Sektion Mathematik/Rechentechnik als wissenschaftlicher Assistent tätig. Im Jahre 1974 begann er seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Als solcher ist der Kläger nach wie vor im Klinikum der Medizinischen Fakultät beschäftigt. Die Tätigkeit des Klägers ist in die Vergütungsgruppe I b der Anlage 1 a zum BAT-O eingruppiert.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT-O) und die ihn ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung sowie die für das beklagte Land jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung.

Auf Veranlassung des beklagten Landes und mit Einverständnis des Klägers erstellte der Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes beim Gesundheitsamt der Stadt H am 18. Juli 2000 ein Gutachten über den Kläger mit dem Ergebnis, dass dieser krankheitsbedingt dienstunfähig sei und in erheblichem Maße Hinweise auf eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit des Klägers bestünden. Der daraufhin vom beklagten Land mit Schreiben vom 27.07.2000 an ihn ergangenen Aufforderung, bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit zu beantragen, kam der Kläger nicht nach.

Mit Schreiben vom 04.12.2001 (Bl. 62 d. A.) bat das beklagte Land den Amtsarzt, „… im Sinne des letzten Passus des Gutachtens: „…, dass wir in erheblichem Maße Hinweise darauf haben, dass Berufs- und gegebenenfalls auch Erwerbsunfähigkeit bei Herrn Dr. B bestehen könnte …” um nochmalige Prüfung sowie um … abschließende konkrete Festlegung hinsichtlich der Erwerbsunfähigkeit” des Klägers. Hierauf teilte der Amtsarzt mit Schreiben vom 30.01.2002 (Bl. 64 d. A.) mit:

„… Am 21.1.2002 erreichte uns von der Gerwerkschaft verdi die Mitteilung, daß Herr Dr. B nicht damit einverstanden ist, daß das Gutachten an den Arbeitgeber übersandt wird. Er entband uns diesbezüglich des Arbeitgebers nicht von der ärztlichen Schweigepflicht.

… Wir führten mit Herrn Dr. B zwei Gespräche (am 11.1.2002 und 28.1.2002).

Bei diesen Gesprächen waren auf Wunsch von Herrn Dr. B auch andere Personen, u. a. sein behandelnder Nervenarzt Dr. W, dabei. Dieser bestätigte uns, daß die stundenweise Wiedereingliederung nach Erkrankung an einer Depression im Juni 2001 abgeschlossen ist. Herr Dr. B ist seit einigen Wochen wieder vollständig dienstfähig.

Aus amtsärztlicher Sicht liegt prinzipiell Dienst- und Arbeitsfähigkeit vor, ohne daß wir uns an dieser Stelle aus obengenannten Gründen differenziert dazu äußern können.”

Auf dieses Schreiben hin ersuchte das beklagte Land den Amtsarzt mit Schreiben vom 08.02.2002 (Bl. 65 d. A.) ein weiteres Mal „ausdrücklich um Prüfung der verminderten Erwerbsfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit von Herrn Dr. M. B nach § 59 BAT-O sowie um Unterrichtung des Ergebnisses”. Hierauf teilte der Amtsarzt mit ...

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